Landrover Defender – Eine Legende nimmt Abschied

Hier noch in Aktion: Die Landrover Defender-Fertigungsstraße in Solihull.
Hier noch in Aktion: Die Landrover Defender-Fertigungsstraße in Solihull.
Nach 68 Jahren verabschiedet sich Land Rover von seinem Urgestein, das in seiner späten Phase unter der Verkaufsbezeichnung Defender zum echten Lifestyle-Objekt wurde. Wir haben den Millionenseller zu einer letzten Ausfahrt in den Schlamm entführt.

Man muss über keine extraordinäre Beobachtungsgabe verfügen, um zu erkennen, dass es Land Rover Ernst meint mit der Offroad-Kultur. Überall in Europa und sogar weltweit finden sich sogenannte Land Rover Experience Center – dabei handelt es sich um Einrichtungen, die 4×4-Fans aufsuchen, um dort ihre Geländewagen – Leidenschaft in vollen Zügen auszukosten. Die meisten, nämlich neun an der Zahl, liegen im Vereinigten Königreich, und eins davon befindet sich bezeichnenderweise direkt an der Land Rover-Produktionsstätte in Solihull. Im Januar war nun Schluss mit der 4×4-Ikone, die schon seit Ende der 40er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts quasi unverändert existiert.

Robust und vielseitig: Der Defender wurde in anspruchsvollsten Expeditionen zur Legende.
Robust und vielseitig: Der Defender wurde in anspruchsvollsten Expeditionen zur Legende.
Einzug der Moderne

So ganz stimmt das natürlich nicht. In den Defender, der übrigens erst seit Anfang der Neunziger so heißt und früher einfach nur der „Land Rover“ plus Zahlenbezeichnung für den Radstand war, hat sich langsam Modernität eingeschlichen, ohne dass die äußere Erscheinung nennenswert berührt wurde. Aus den ursprünglichen Blattfedern wurden Schraubenfedern. Vom Vierzylinder-Benziner (55 PS /41 kW) über einen Sechsender mit 2,6 Litern Hubraum und 82 PS (60 kW) bis hin zum V8 mit 135 PS (99 kW) reicht(e) das Motorenangebot. In den letzten Jahren mussten die Europäer mit Diesel-Aggregaten vorliebnehmen und erlebten gar eine Art Downsizing. Vom 2,5-Liter-Fünfzylinder sanken Zylinderzahl und Hubraum auf vier Töpfe sowie 2,2 Liter Volumen. Die Leistung blieb allerdings konstant bei 122 PS . Euro 5 beim Triebwerk war das Höchste der Gefühle, und auch das Crashverhalten der liebevoll genieteten Karosse, unter der sich ein stabiler Leiterrahmen verbirgt, dürfte der europäischen Union missfallen. Wohl ein triftiger Grund für das Aus der Ikone.

30-Grad-Steigungen – kein Problem
Projektingenieur Arthur Goddard (dritter von rechts) mit dem fünfzigtausendsten Land Rover in 1952.
Projektingenieur Arthur Goddard (dritter von rechts) mit dem fünfzigtausendsten Land Rover in 1952.

Um das bittere Ende zu versüßen, bat Land Rover zu einer letzten Ausfahrt mit einem 110er Station der jüngsten Ausführung. Die Geländereduktion eingeschaltet, knurrt und kraxelt sich der Selbstzünder stoisch durch den morastigen Untergrund des Experience Centers in Solihull. Steigungen von mehr als 30 Grad trotzt er ebenso wie steilen Abhängen, wo das Einlegen des ersten Ganges zum obersten Gebot wird statt Bergabfahr-Kontrolle per Tastendruck. Der Defender lebte auch 2015 noch die analoge Welt, pfiff auf modernes Infotainment und verlangt seinem Fahrer eine satte Portion Muskelkraft ab, wenn das knochige Sechsgang-Getriebe bedient werden will. Andererseits möchte er mit Klimaanlage wie Sitzheizung auch irgendwie mithalten in einer Welt der Komfort-Vehikel.

Aber ein Lifestyler ist er über die Jahre definitiv geworden, längst hat er auch die Herzen der urbanen Bevölkerung erobert. Statt Sandfarben sind heute knallige Orangetöne in – die letzten Modelle rollen teils sogar mit edler Lederbestuhlung vom Händlerhof. Der Defender wird zwar nicht mehr neu zu bestellen sein, aber er wird wohl noch lange gekauft werden können.

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Man entsorgt ihn nicht – so kraxelt er sich durch die Welt, bis er den Unfalltod stirbt. So etwas kennt man ansonsten nur von Autolegenden wie dem Porsche 911. Es leben angeblich noch drei Viertel aller Defender respektive Ur-Land Rover. Zwei Millionen Exemplare sollen alleine vom Band in Solihull gelaufen sein – wer weiß, wie viele es noch waren in den 45 weiteren Produktionsstätten, die auf dem gesamten Globus montierten. Darüber hinaus gibt es auch noch die Lizenzbauten von Firmen wie Iveco oder Santana Motors.

Die Produktion des aktuellen Defender im Werk Solihull endete im Dezember 2015.
Die Produktion des aktuellen Defender im Werk Solihull endete im Dezember 2015.

Ob der Defender aber wirklich ausgedient hat, muss sich erst noch zeigen. Vielleicht lässt man ihn ja länger laufen und verkauft ihn als Exportschlager weiter. Die Europäer werden jedenfalls einen Ersatz bekommen, wenngleich die Land Rover- Mannschaft noch nicht verrät, wann und in welcher Form. Eine futuristisch und zugleich ursprünglich anmutende Studie macht jedenfalls schon einmal Appetit auf den potenziellen Nachfolger. Einziger Wermutstropfen: Er könnte erst gegen Ende des Jahrzehnts in Serie gehen.

Defender Station Wagon 90 E
  • 2,0-Liter-Diesel Geländewagen
  • Antrieb: Allrad permanent
  • L/B/H: 4.400/1.992/2.000-2.182 mm
  • Radstand: 2.360 mm
  • Gewicht (leer): 2.049 kg
  • Leistung: 122 PS (90 kW)
  • Vmax: 145 km/h
  • 0-100: 15,8 sec
  • Max. Drehmoment: 360 Nm bei 2.000 U/min
  • CO2-Ausstoß: 269 g/km
  • Schadstoffklasse: Euro 5
  • Verbrauch kombiniert: Diesel 10,2 l auf 100 km
  • Preis: ab 26.200 Euro
  • Informationen: www.landrover.de

Text: Patrick Broich
Fotos: Jaguar Land Rover Deutschland GmbH

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