Otto Ferdinand Wachs – Leben im Hier und Jetzt

Interview mit Otto Ferdinand Wachs: Ruhestand ist nicht in Sicht.
Der ehemalige Geschäftsführer der Autostadt in Wolfsburg spricht erstmals nach seinem Ausscheiden im August über sein neues und sein altes Leben.

Schon als Otto Ferdinand Wachs als 16-jähriger seinen Pkw-Führerschein auf einem Unimog 411 der freiwilligen Feuerwehr machte, entdeckte er seine Leidenschaft für das Lenken automobiler Exoten. Bis vor kurzem steuerte er zudem einen ganzen Erlebnispark für Autos und Menschen: die Autostadt in Wolfsburg. Bei der ADAC Trentino Classic 2017 in Molveno hatten wir Ende September Gelegenheit, mit Otto Ferdinand Wachs über sein Leben zu sprechen.

34 Jahre im Volkswagen-Konzern

Otto F. Wachs wurde 1957 in Hamburg geboren. Als Diplomkaufmann kam er 1983 zur Volkswagen AG, wurde 1984 Pressereferent und ging 1986 ein Jahr lang für den Konzern nach Amerika, um die amerikanisch geprägte Automobilkultur kennenzulernen. Zurück in Wolfsburg war er für die Internationale Presse zuständig. Von 1990 bis 1993 leitete er das Generalsekretariat und ab 1993 die Konzern-Kommunikation von Volkswagen. 1996 übernahm Wachs die Funktion des Bevollmächtigten des Vorstands für die EXPO 2000 und wurde damit Gesamtprojektleiter der späteren Autostadt. Von November 1999 bis August 2017 war er Geschäftsführer der Autostadt GmbH. Mit der Region Wolfsburg fühlt sich Otto Ferdinand Wachs fest verbunden. Als Ort für Automobilfans, Architektur-, Kunst- und Kulturinteressierte prägt der automobile Themenpark seit seiner Eröffnung die Stadt und die gesamte Region. Otto F. Wachs repräsentierte sie gutgelaunt, schlagfertig und mit hanseatischer Offenheit.

Ein Autoenthusiast mit Vorliebe für Charakterfahrzeuge

Otto Ferdinand Wachs’ besondere Leidenschaft gilt dem Automobil: Moderne Sportwagen begeistern ihn ebenso wie wegweisende Oldtimer. Neben einem Volkswagen Käfer Cabriolet, Baujahr 1960, und einem Landrover Serie 3 nennt er auch eine „Rotnase“ sein eigen – ein leuchtend roter Porsche Traktor „Standard“. Bereits seit langem ist Otto F. Wachs passionierter Rallye-Fahrer. Und hier geht es nicht um das Thema Geschwindigkeit, sondern um das Oldtimer-Wandern oder Präzisionsfahren. Zu seinen Lieblingsrouten zählen die Strecken durch die oberitalienische Provinz Trentino, die die Veranstalter der Oldtimer-Rallye ADAC Trentino Classic seit 2003 jährlich neu austüfteln.

Vorkriegsfahrzeige wie ein Wanderer fährt er besonders gern.
Welchen Stellenwert hat das Automobil in Ihrem Leben?

Ich komme eigentlich aus einer Segler-Familie und habe sehr früh mit diesem Wassersport angefangen. Aber das Auto spielte bei uns auch immer eine große Rolle. Mein Vater fuhr eigentlich immer die neuesten Modelle von Mercedes. Damit hatte ich auch, als ich acht Jahre war, ein dramatisches Erlebnis. Wir verunfallten in Südfrankreich schwer. Aber wir haben beide überlebt und mich faszinierten Autos nach wie vor. Während meiner Schulzeit, die ich in einem Landschulheim im Schwarzwald verbrachte, bin ich in die Feuerwehr eingetreten. Dort konnte ich schon mit 16 Jahren einen Unimog 411 fahren. Als ich endlich den Führerschein hatte, bin ich viel und gern Auto gefahren. Als Abiturient kam ich in meine Geburtsstadt Hamburg zurück. Ich hatte immer eine emotionale Beziehung zum Auto und wollte auch nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre in der Automobilindustrie arbeiten. Als Hamburger wollte ich dann auch in Norddeutschland bleiben und bin zu Volkswagen gegangen.

An welche Höhepunkte Ihrer Laufbahn erinnern Sie sich besonders gern?

Die Aufgabe, die Autostadt aufzubauen, war eine große und schöne Herausforderung. Ferdinand Piëchs Vision in den 1990er-Jahren war, das Unternehmen Volkswagen zu öffnen und Wolfsburg attraktiver zu machen. Volkswagen steckte in einer Krise, man sprach damals von 30 000 gefährdeten Arbeitsplätzen. Diese Öffnung sollte einhergehen mit einem neuen Kommunikationsinstrument. Und so etwas wie die Autostadt gab es damals noch nicht, in der Kombination gibt es das meines Wissens nach noch immer auf der ganzen Welt nicht.

Otto F. Wachs mit Tatort-Kommissarin Sabine Postel.

Es ist ein Markenland, eine touristische Destination und letztendlich auch eine Marketingmaschine. Wir entwickelten es in einem damals kleinen Team auch als ein neues Kommunikationsinstrument. Piëch setzte uns nicht viele Vorgaben. Ein Auslieferungszentrum sollte es beinhalten, und die Marken und Werte des größer werdenden Konzern sollten darüber hinaus emotional dargestellt werden. Ich hatte sehr viel unternehmerische Freiheit, konnte eigene Schwerpunkte setzen.

Welche Werte haben Sie für die Autostadt umgesetzt? Gab es eine Strategie, die Sie verfolgten, um die Autostadt als Erlebniswelt erfolgreich aufzubauen?

Es gab drei Punkte, die wichtig waren. Erstens das Thema Nachhaltigkeit. Dem hatten wir uns in den Jahren mehr und mehr verschrieben: was passiert in unserer Umwelt, was bedeutet das Thema für die Lebenswelten unserer Besucher und wie erklären und präsentieren wir es? Der zweite Punkt: ein anderes Marketing-Verständnis durch eine Pull-Orientierung: Klassischerweise ist die Industrie ist eher push-orientiert, man geht auf die Konsumenten zu, platziert seine Produkte und Informationen so, dass der Kunde sie sieht. Wir sind den anderen Weg gegangen und haben nicht die Produkte, sondern das Thema Mobilität in unterschiedlichen Facetten in den Vordergrund gestellt. Die Besucher sollen auf uns zukommen. Es gibt zum Beispiel keine Logos in der Autostadt, und wenn ein Besucher einen Prospekt haben möchte, muss er danach fragen. Dieser Pull-Mechanismus in Verbindung mit nachhaltigem Verhalten macht die Autostadt zu einem sehr glaubwürdigen Ort. Der dritte wichtige Punkt ist die Ästhetik der gesamten Anlage. Sie macht die Autostadt zu einem fast magischen Ort.

Welche Position hat die Autostadt im Konzern eingenommen?

Sie ist über die Jahre zur wichtigsten Kommunikationsplattform des Konzerns geworden und obwohl die Autostadt im klassischen Sinne keine Autos verkauft, ist sie der Ort, an welchem im Konzern wohl die meisten Kaufentscheidungen pro Volkswagen in den Köpfen der Besucher getroffen werden.

Wie sah Ihr Privatleben bei einer solch verantwortungsvollen Karriere aus?

Wir so oft in solchen Positionen gab es kein wirkliches Privatleben. Letztlich bestimmte der Takt des Unternehmens das tägliche Leben.

Wie fühlen Sie sich nun nach dem Abschied von der Autostadt? Wie blicken Sie in die Zukunft?

Ich möchte mich nicht mehr ausschließlich der Arbeit widmen. Aus meinen Erfahrungen habe ich gelernt und setze einen stärkeren Fokus auf mein Privatleben. Früher habe ich oft – wie viele Manager das tun – das Vergangene analysiert, dann in die Zukunft projiziert und geplant. Was dabei immer zu kurz kommt, ist das Hier und Jetzt. Und das habe ich von meiner Frau Katharina in den letzten Jahren gelernt: Mehr in der Gegenwart zu leben. Ich möchte mich mehr mit nachhaltigen Dingen beschäftigen, an denen ich auch unmittelbar Freude habe. Oldtimer-Rallyes fahren, mich der Fotografie widmen und natürlich segeln. Ich möchte auf jeden Fall stärker im Hier und Jetzt leben. Diese Erkenntnis hat mich in den letzten beiden Jahren schon verändert und wird mich sicher noch weiter antreiben.

Könnten Sie sich vorstellen, zukünftig noch einmal in einer anderen Branche zu arbeiten?

Ja, das kann ich mir schon beratend vorstellen, ich bin ein klassischer Dienstleistungsmanager. Meine Erfahrungen könnten in den Bereichen Hotellerie oder Tourismus von Nutzen sein. Aber das Auto wird mich nicht mehr loslassen. Da ich in der Branche nicht ganz unbekannt bin, werde ich mich sicher auch weiterhin dort tummeln.

Fahren Sie gern Cabriolets? Und welches Beuteschema liegt Ihrer Oldtimer-Vorliebe zugrunde?

Ja, Cabriolet fahre ich schon sehr gern. Die „Marie“ ist mein liebster Oldtimer, den ich seit über zehn Jahren besitze. Als ich dieses wunderschöne Käfer Cabriolet aus dem Baujahr 1960 kaufte, sagte mir der Verkäufer, dass es bis dato nur von seiner Tante, der „wilden Marie“, gefahren wurde. So kam es zu seinem Namen. Ansonsten fahre ich gern offene Vorkriegsklassiker, wie den Bentley der Autostadt. Aber da meine Frau Katharina sowieso nicht so gern offen fährt, kommt auch meine Vorliebe für italienische Coupés nicht zu kurz. Hier im Trentino habe ich ein wunderschönes Lancia Aurelia Coupé von 1957 dabei. Wir freuen uns schon sehr darauf, morgen mit ihm in seiner Heimat Italien losfahren zu können.

Interview: Renate Freiling

Foto: Autostadt GmbH

 

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