Gut siehst Du aus!

Der erste Kompakte von Kia, der nur elektrisch zu haben ist, überzeugt auf den ersten Blick mit einem stimmigem Design. Welche inneren Werte der EV3 bietet, klärt der erste Fahreindruck im schönen Lissabon.

Vor der Entwicklung eines Elektroautos haben Hersteller eine grundsätzliche Wahl zu treffen, die über Erfolg oder Misserfolg des neuen Modells entscheiden kann: Soll sein Design eher konventionell daherkommen oder doch besser futuristisch? Bei seinem EV3 hat Kia diese Herausforderung mit Bravour gelöst. Denn das neue SUV sieht einfach gut aus. Sein stimmiger, boxiger Style ist gefällig genug für Elektro-Einsteiger, für die der neue Antrieb schon genug Innovation darstellt – vermittelt erfahrenen Stromer-Fans aber durchaus auch das Gefühl, nicht im gewöhnten Verbrenner-Design der 10er-Jahre herumzufahren.
Der EV3 ist das erste kompakte Auto von Kia, das auf der reinen Elektroplattform des südkoreanischen Konzerns basiert. Optisch orientiert er sich am wuchtigen Groß-SUV EV9. Mit seinen 4,30 Metern ist er zwar deutlich kleiner, bietet aber ein ähnlich ökonomisches Verhältnis von äußerer Länge zu innerer Größe. Sämtliche Insassen haben das Gefühl, eine Klasse höher zu reisen. So ermöglicht die kompromisslose Entwicklung als Stromer ein sehr vorteilhaftes Package, was sich vor allem im Fond auszahlt. Die Knie- und Beinfreiheit dort ist absolut langstreckentauglich.
Auf den vorderen Plätzen sitzt man sowieso sehr entspannt und blickt auf das schicke Breitwand-Display, wie es in den aktuellen Modellen von Kia und den Schwestermarken Hyundai und Genesis üblich ist. Ein paar echte Tasten hat Kia dem Cockpit auch noch spendiert – auch hier gibt es also eine gelungene Mischung aus Bewährtem und Fortschritt.

Ladetechnologie mit 400 Volt
Nicht geschafft in den EV3 hat es dagegen die superschnelle Ladetechnologie mit 800 Volt aus dem gerade überarbeitetem EV6 und dem EV9 – hier soll wohl ein gewisser Respektabstand zu den teureren Modellen gehalten werden. Mit den bei der Konkurrenz üblichen 400 Volt lädt Kias Neuer mit moderatem Tempo in etwa einer halben Stunde auf 80 Prozent, nämlich mit bis zu 101 Kilowatt für den kleinen Akku mit 58,3 kWh Kapazität und 128 Kilowatt für den großen Version mit 81,4 kWh. Das ist aber auch für längere Touren durchaus noch brauchbar; nach der Pause im Burger-Restaurant ist die Batterie allemal wieder voll. Für Wechselstrom-Säulen verspricht Kia künftig relativ zügiges Laden mit 22 Kilowatt.
Praktisch ist das bidirektionale Laden, also die Möglichkeit, 220-Volt-Geräte anzuschließen (V2L) – die Einspeisung in den Haushalt (V2H) oder sogar das öffentliche Stromnetz (V2G) soll ebenfalls folgen. Wie übrigens auch eine Allradversion zusätzlich zum Frontantrieb, die dann dann mit einem zweiten Motor an der Heckachse auch mehr Power bietet.
Und die Reichweite? Über 600 Non-Stop-Kilometer mit vollem großen Akku, wie Kia angibt, sind nur bei sehr defensiver Fahrt machbar – aber sie sind es wahrscheinlich, wie FAT nach Alltags-Erfahrungen mit den bisherigen Elektro-SUV des Herstellers schätzt. Das setzt dann allerdings eine gewisse Spaßbremse im rechten Fuß voraus.

Ein wahres Familienauto
Was bei diesem Auto freilich schwerfällt: 204 elektrische PS lassen den Kompakten kraftvoll abzischen. Das sorgsam zwischen Komfort und Dynamik abgestimmte Fahrwerk kommt dem europäischen Geschmack entgegen. Die Seitenneigung der Karosserie in schnellen Kurven ist deutlich wahrnehmbar, aber für ein SUV akzeptabel.
In dieser Kombination aus Platz, Power und Reisetauglichkeit ist der EV3 tatsächlich das, was die Kia-Leute immer wieder betonen: Ein Elektroauto als einziges Familienfahrzeug. Eines für alle Bedürfnisse. Denen sich mittlerweile sogar der Preis angenähert hat: Mit kapp 36.000 Euro für den kleinen Akku und 5.400 Euro Aufpreis für die Long-Range-Version liegt der Stromer in dem Bereich, den Deutsche für ihren Neuwagen ausgeben. Derzeit lockt Kia sogar noch mit 1.200 Euro Frühbucher-Bonus; künftig dürfte es wohl auch attraktive Leasingkonditionen geben wie derzeit beim EV6.
Damit gehört der neue Kia EV3 zu jener neuen Generation von Elektroautos, die so ziemlich alle hartnäckigen Vorurteile gegen Stromer entkräften. Da er auch noch gut aussieht, dürften auf deutschen Straßen bald noch mehr elektrische Kia-Modelle auffallen. Marcus Efler

Bilder: Kia

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