50 Jahre VW 181– Ein Kübelwagen tourt durch die Südstaaten

Bei uns meist Dienstwagen für Soldaten und Katastrophenschützer, genoss der Wolfsburger Kübelwagen in den USA vom ersten Tag an Kult-Status.

 

Hier ist er unzertrennlich mit der Bundeswehr verbunden. Doch in den USA gilt der VW 181 als Lifestyle-Auto. Wie könnte man seinen 50. Geburtstag besser feiern als mit einem Trip durch die USA? Also Auf – und Ab durch die Südstaaten.

 

Vor exklusiven Sportwagen und luxuriösen Limousinen haben sie im feinen Hotel im Herzen von New Orleans keinen Respekt. Doch an dieses Auto trauen sich die Jungs vom Valet Parking auch nach mehrfacher Aufforderung nicht heran. „Denn so ein Ding ist uns noch nie untergekommen“, sagt der kaum 20jährige Schlacks, dem der Hosenboden in den Knien hängt. Wäre er ein bisschen älter und würde Bermuda-Shorts tragen statt Baggy Pants, wäre das wahrscheinlich etwas ganz anders. „The Thing“ würde er den Wagen zwar trotzdem noch nennen, doch wüsste er dann zumindest, was es damit auf sich hat. Denn in der Generation seines Vaters war dieser VW ein Kultauto, das dem Bulli, dem Buggy und natürlich dem Käfer in nichts nachstand. Die Rede ist vom Typ 181, den wir Deutschen nur als Kübel- oder Kurierwagen kennen und mit der Bundeswehr, dem Technischen Hilfsdienst oder anderen Gemeinnützern verbinden. Diesseits des Ozeans erst als Oldtimer ein Freizeitauto, war der Kübel in der Neuen Welt schon Lifestyle, als man den Begriff noch nicht einmal buchstabieren konnte. 

 

Eine Fahrt im Kübelwagen entschleunigt, denn sie plätschert dahin wie ein großer, breiter Fluss.

 

Dabei wussten die Amerikaner nie so recht, was dieser VW eigentlich sein wollte: Ein Cabrio, weil man schließlich das Kunstlederverdeck wie ein Zelt abschlagen, die Steckscheiben herausnehmen und sogar die Frontscheibe umklappen konnte. Ein Geländewagen, weil es zwar keinen Allradantrieb, aber zumindest etwas mehr Bodenfreiheit gab? Ein Nutzfahrzeug, weil man die Rückbank mit einem Handgriff umklappen und den Kübel dann fast wie einen Pick-Up beladen konnte? Oder einfach nur ein ebenso billiges wie cooles Alltagsauto für vier? Weil die Antwort darauf so schwerfiel, haben sie sich mit einem Trick aus der Affäre gezogen – und ihn tatsächlich nur das Ding, „The Thing“ genannt.

In der berühmten Bourbon Street in New Orleans hat nachts selbst der Kübel nichts zu suchen. Tagsüber ist der VW jedoch gerne gesehen.

 

Dessen Geschichte hat vor mehr als einem halben Jahrhundert mit einem Entwicklungsauftrag der Bundeswehr begonnen und 1980 nach genau 140 768 Exemplaren wieder geendet. Doch weil der der kantige Bruder des Käfers in diesem Jahr 50. Geburtstag feiert, darf er noch einmal auf große Tour. Die müsste, wenn man den Klischees folgen mag, natürlich durch Kalifornien führen, weil dort die Surfer schnell erkannt haben, dass der Kübel praktischer ist als der Buggy. Doch weil der Kübel so herrlich unkonventionell ist, geht er auch auf eine unkonventionelle Route und rollt einmal quer durch die Südstaaten: Florida, Louisiana, Missisipi und Texas stehen im Roadbook und die Strecke führt im Grunde immer am Golf von Mexiko entlang.

 

 

Der ist für Anwohner wie Touristen Fluch und Segen zugleich. Für die Anwohner, weil er ihnen das beste Seafood südlich von Maine auf den Teller liefert und weil er in der Hurrikan-Saison so oft über die Ufer tritt, dass sie ihre Häuser auf Pfähle stellen müssen. Und für die Touristen, weil er endlos lange Strände bietet und dahinter kilometerbreite Sümpfe, in denen nicht nur Krokodile leben, sondern auch Myriaden garstiger Mücken – und nach ein paar Stunden im offenen Kübel weiß man nicht so recht, was schlimmer ist. 

Wo andere Touristen davon im klimatisierten Mietwagen nichts mitbekommen, ist man im Kübel mittendrin statt nur dabei: Man fährt so langsam, dass man die Landschaft förmlich in sich aufsaugt, man sieht den Strand nicht nur, sondern kann ihn riechen und auf der Haut fühlen. 

 

Alles im Fluss: Noch gemütlicher als auf den Highways geht es auf dem Mississippi zu.

 

So wird man gezwungnermaßen zu einem ausgesprochen gelassenen und entspannten Autofahrer. Denn selbst im Mutterland des Tempolimits kann man bei 44 PS so ziemlich jede Geschwindigkeitsbeschränkung galant ignorieren. So fest man das Pedal auch ans Bodenblech heften mag und so laut der 1,6 Liter große Vierzylinder auch brabbelt, dauert es eine gefühlte Ewigkeit, bis sich die Tachonadel im frugalen Cockpit mal auf 100 zittert, und bei spätestens 115 km/h ist ohnehin wieder Schluss. Die meiste Action gibt es sowieso bei Schritttempo. Wo der Wagen auftaucht, halten sie ihm die Handys entgegen, und alle Welt reckt den Daumen – Harley-Fahrer vor dem Diner nicken anerkennend und jeder zweite Pick-Up-Cowboy würde sofort tauschen wollen. Selbst auf der Bourbon-Street in New Orleans halten die Party People kurz inne, als der Kübel in der Dämmerung übers Kopfsteinpflaster rollt und mit den Boxen der Barmusikern um die Wette bollert. Die nächste Margerita muss warten, erst mal steht jetzt Car-Spotting auf dem Programm. Kein Rolls-Royce und kein Lamborghini könnte so viel Aufmerksamkeit erregen wie dieser knallgelbe Klassiker. 

 

 

Ja, in Amerika wurde der Kübel länger gebaut als bei uns, und wer wird heißer geliebt. Doch es gibt noch einen weiteren Grund, weshalb man mit diesem Auto besser durch Florida oder Texas fährt als rund um Frankfurt oder durch die Uckermark: Das Wetter. Denn der Aufbau des Verdecks ist so mühsam und für die Fingernägel so gefährlich, dass man es lieber zusammengefaltet lässt. Zumal die riesige Kunstleder-Plane und die vier Steckscheiben ohnehin nur mäßigen Schutz vor Wind und Wetter bieten und es im geschlossenen Auto so laut wird, dass man kaum mehr sein eigenes Wort versteht. Also bleibt das Dach offen, egal ob es regnet oder die Tour mal wieder durch dichte Moskito-Wolken führt. Und selbst vor dem Supermarkt oder dem Coffeeshop macht man den Kübel  nicht dicht, sondern schließt die Koffer lieber mit einem Fahrradschloss ans Sitzgestell. Nicht elegant, aber effektiv.

 

Trotz Mückensturm – Offen ist Pflicht.

 

Zum Ende der Tour rollt der Kübel in Houston ein letztes Mal vor ein Luxushotel und wieder schauen die Jungs vom Valet Service ein bisschen irritiert, schließlich sind sie in der texanischen Großstadt größere Kaliber meist mit einer fetten Pritsche gewohnt. Doch mit den beiden jungen Aushilfsfahren arbeitet auch ein alter Hase, der sich sichtlich über das Wiedersehen mit „The Thing“ freut und sich förmlich darum reißt, den Wagen ins Parkhaus zu chauffieren. Denn aufgewachsen ist er in Kalifornien und als er jung war, hatte er selbst einen Kübel, erzählt der Beinahe-Pensionär und kann sich vor Freude kaum mehr ein bekommen: „Dass ich noch einmal ein „Thing“ zu sehen bekomme, das ist ja wirklich ein dickes Ding.“

 

Text und Fotos: Thomas Geiger

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