Die Fahrt ins Leben beginnt für einen BMW, der ein X im Namen trägt, meistens in den warmen, feuchten Südstaaten der USA. Hier, im Werk Spartanburg nahe Greenville in South Carolina, betreiben die Bayern ihr größtes Autowerk; und auch der neue X7 rollt aus diesen riesigen Hallen. Stichwort riesig: Das ist es, dieses neue SUV. Das mächtigste und schwerste Serienmodell, das je den weißblauen Propeller trug, startet hier zu einer ersten Testfahrt. Der Startort passt zu diesem Vehikel für die entspannte Tour: Greenville ist ein sehr relaxtes Städtchen, Menschen aller Ethnien und Hautfarben genießen das Wirtschaftswunder, das BMW ihnen bescherte.
Die Rhetorik des US-Präsidenten, die auf die deutschen Autohersteller einprügelt, erfüllt sie mit Unverständnis und Sorge: Hoffentlich vertreibt er uns die Bayern nicht! Und gerade ihr neues Auto ist ja eine Geste an das Gastland, ein Full-Size-SUV, der sich vor allem auf dem amerikanischen Markt bewähren soll. Für seine Heimat wirkt er fast zu groß: Mit 5,15 Metern Länge schlägt er den bisherigen SUV-König von Deutschland, den Mercedes GLS. Und auch wenn BMW-Leute vorsichtshalber erwähnen, dass eine 7er-Limousine mit langem Radstand ja noch mehr Zentimeter messe: Bescheidenheit ist nun wirklich nicht die Zier des neuen Spartanburgers. In Europa wird er auffallen und wohl auch anecken, bei den Nachbarn seiner Käufer und in so manchen Parkhäusern. In den USA aber fällt er überhaupt nicht auf. Nicht im Geringsten. Wenn er hier über die Highways rollt, ist er eines von vielen sehr großen Autos. Kleiner noch als so mancher der sogenannten Full-Size-SUV;
Hier ist der X7 nur eines von vielen riesigen Autos
fast schon ein Kompaktwagen neben den allgegenwärtigen Pick-up-Trucks mit ihren riesigen Reifen. Diese erste Testfahrt führt ihn quer durch den Süden der USA, auf eine Tour über 5.400 Meilen von Spartanburg nach Palm Springs am anderen Ende des Kontinents. Denn dies ist das Auto für Amerika, und Amerika ist das Land für dieses Auto. Erhaben thront der Fahrer im ledernen Sessel über dem Asphalt, der meist schnurgerade die Weite erschließt. Ein großes Auto nimmt den großen Distanzen den Schrecken, vor allem mit viel Blech und Luxus um sich herum fühlt man sich für diesen Kontinent gerüstet. Der X7 schnurrt leise über den Highway, der Sechszylinder-Benziner liefert mit 340 PS und einem grizzlybärenstarken Drehmoment souveräne Kraft. Mit seiner Anordnung der Zylinder in Reihe ist er einer der letzten dieser leider aussterbenden Art – und ein Meisterstück des automobilen Maschinenbaus. So smooth, so gelassen und sanft erledigt kaum ein anderes Verbrennungs-Aggregat seine Arbeit. In den Südstaaten führt die Route vorbei an den endlosen Baumwollfeldern, wo einst schwarze Sklaven für das „weiße Gold“ schufteten – eine Tour durch die düsterste Geschichte dieses Landes. Charleston, Savannah, St. Augustine heißen die Stationen, die sich an den Atlantik schmiegen, und in denen immer eine salzige Brise vom Meer zu erahnen ist.
„Viele nette Mädchen … habt Erbarmen!“ ZZ Top „La Grange“
Der größte Freizeitpark der Welt
Und dann wird es bunt, fröhlich und laut: Orlando heißt der Ort in Florida, den die X7-Truppe nach ein paar Tagen erreicht, Sitz des bekanntesten und größten Vergnügungsparks auf dem Globus: Disney World. Hier ist jeder Tourist: Amerikaner oder Asiate oder Testfahrer aus Europa. Mehrere Themenparks machen Kinder froh und Erwachsene sowieso. Nur mit einem mehrtägigen Aufenthalt könnte man sich hier alles erschließen, aber die Tour führt weiter, erst wieder nordwärts, dann westbound durch schwitzende Südstaaten. Im X7 bleiben die Insassen gechillt, die Klimaanlage rauscht leise und effektiv, die Ventilatoren in den Sitzen transportieren Körperwärme ab.
Und dann Texas. Rinderfarmen säumen den Weg, hier grasen die Tiere glücklich und artgerecht, bevor sie dann doch irgendwann als zarte 90-Dollar-Steaks auf großen Tellern landen. Doch Texas ist auch ein Land der Städte: Houston zum Beispiel, eine Millionen-Metropole, aber mit der vielfachen Ausdehnung Berlins. Viele, viele Meilen ziehen sich die Ein- und Ausfallstraßen hin, gesäumt von gläsernen Büropalästen. Oft beherbergen sie Start-ups oder Dependancen kalifornischer Software-Schmieden; Texas wandelt sich vom Cowboy-Staat zum zweiten Silicon Valley. Kein Wunder, dass der demokratische Superstar „Beto“, dessen Namenssticker hier manches Auto ziert, dem republikanischen Amtsinhaber kürzlich die Wiederwahl erschweren konnte. Der X7 gleitet dahin, Tempomat und Spurhalte-Assistent sind wie geschaffen für dieses Land. Hands off, Feet off, das Auto fährt fast von allein. Alle zehn Sekunden berührt der Fahrer das Lenkrad, um den elektronischen Assistenten zu signalisieren: Ich bin da, bin wach. Der Totmannknopf des modernen Autos.
Vollautomatisch durch den Stau
Plötzlich ist es vorbei mit der gechillten Fahrt: Rote Bremslichter voraus signalisieren einen Stau. Abbremsen, anstellen, Staupilot ein. Diese in Deutschland absurderweise noch verbotene Assistenz ist in den USA schon freigeschaltet; bis knapp 40 Meilen pro Stunde (60 km/h) zuckelt der BMW vollautomatisch mit. Zeit, sich etwas innen umzuschauen.
Interieur: edel. Platz: satt. Für Fahrer und Sozius allerdings mit nicht viel Unterschied zum X5, schon der bietet ja üppige Ellbogen-Freiheit. Auch das schicke virtuelle Cockpit und der große Touchscreen sind bekannt.
Ab der hinteren Wagenhälfte aber spielt der X7 die Vorteile des verlängerten Radstandes aus: Die zweite Reihe – wahlweise mit zwei luxuriösen Lounge-Sesseln zu haben oder mit praktischer Dreier-Bank – bietet komfortablen Knieraum. Und die serienmäßigen Klappsitze ganz hinten lassen den Füßen soviel Freiheit wie der Fond eines 3er-BMW. Der Gepäckraum dahinter bleibt dann allerdings recht beschränkt. Der vernünftige Deutsche, der ein Raumwunder sucht, ist mit einem VW-Bus besser bedient.
Ein Hauch Verschwendung gehört beim BMW X7 eben zum Konzept. Auch deshalb passt dieser Wagen ja so gut nach Amerika. Mittlerweile hat der große Wagen wieder Land gewonnen. Die Audio-Anlage von Harman, gebrandet als Bowers & Wilkins, tönt klangvoll, die Fahrt führt durch La Grange: Ein Kaff, das vor allem weltberühmt wurde, weil eine texanische Blues-Combo sein ganz spezielles Dienstleistungsgewerbe besang. Die Stadt San Antonio dagegen kennen Historien-Experten wegen des dortigen Forts Alamo, das die US-Amerikaner in einer denkwürdigen Schlacht des Texanischen Unabhängigkeitskrieges an die Mexikaner verloren. Überhaupt lebt ganz Texas mit seiner bewegten Geschichte zwischen zwei Ländern, es ist spanisch und englisch, mexikanisch und amerikanisch zugleich. Zweisprachige Schilder zeugen vom heute meist friedlichen Miteinander – wird eine Mauer die Entfremdung bringen?
Wein aus Texas? Ja, tatsächlich…
Zwischen San Antonio und der Hauptstadt Austin zeigt Texas zwei Seiten, die manche Europäer nicht unbedingt mit dem (nach Alaska) zweitgrößten Bundesstaat in Verbindung bringen: sanfte Hügel mit Weinanbau und manche kurvige Straße dazwischen. Diese meistert der X7 mit – nun ja – Anstand. Das Mehrgewicht gegenüber einem X5 ist deutlich spürbar. Natürlich kann man das adaptive Luftfahrwerk auf „Sport“ klicken und beherzt durch die Biegungen brettern. Aber das wäre irgendwie unamerikanisch. Ein Abstecher südwärts, Richtung Big Bend: Der Rio Grande bildet hier nicht nur die (natürliche) Grenze eines Nationalparks, sondern auch einen 1.500 Kilometer langen Teil der (willkürlichen) Grenze zwischen den USA und Mexiko. Hier ist es heiß, nicht nur klimatisch, sondern auch politisch. Weiter via El Paso, jenem multi-kulturellen Grenzort, der ein paar Wochen später zum Schauplatz eines furchtbaren Terror-Massakers werden wird – noch ist es friedlich hier. In Arizona wächst die Großstadt Phoenix aus Beton und Glas mitten in der endlosen Wüste, zwischen spektakulären Felsformationen: Cowboy-und-Indianer-Country. Man fühlt sich wie in einer Western-Kulisse.
In Hollywood ist jeder Superstar
Nur noch Kulisse ist dann jene Stadt, die in Nevada als Sündenpfuhl für Spieler und Hasardeure begann, und heute eine der meistbesuchten in den USA ist: Las Vegas. Diese Metropole des Scheins, mit Eiffelturm, italienischer Lagune, mit Pyramide und römischem Kaiserpalast, sie glitzert in der Nacht, wenn die Zocker, einen Cocktail in der Hand, bis fünf Uhr morgens an Casinotischen bunte Chips verschieben, und sie schwitzt am Tag, wenn sich die Besucher auf der Suche nach Souvenirs und billigen Lunch-Buffets von einem klimatisierten Hotel ins nächste schleppen.
Schließlich: Los Angeles. Größte Stadt Kaliforniens, eine Pizza aus Asphalt, Autos und Skyscrapern. Keine wirklich schöne Stadt, nur der Strand von Santa Monica und das Promi-Viertel Beverly Hills bieten so etwas wie Lebensqualität. Jeder hier, vom Kellner bis zum Straßenmusikant, ist eigentlich ein potenzieller Superstar, zugewandert aus der Provinz und ständig in der Hoffnung lebend, dass Hollywood ihn entdeckt. Und zwischen den Metropolen immer wieder Wüste, Kakteen, Felsformationen. Mal spektakulär, mal eintönig, immer meilenweit und von endlosem Asphaltband durchzogen. Mit jedem Tag wächst die Dankbarkeit, in einem Luxusmobil wie dem X7, klimatisiert, mit Kommunikation und Entertainment satt, unterwegs zu sein.
Am Ziel: Die Winter-Enklave der Rentner
Fünf Wochen, nachdem er seinen Geburtsort Spartanburg verlassen hat, erreicht der BMW X7 sein Ziel: Palm Springs, Winter-Enklave der Schönen und der Reichen und der Rentner in ihren silbrig glänzenden Airstream-Wohnwagen. Und mit einer hohen Dichte an süddeutschen und italienischen Sportwagen – und natürlich an großen, teuren SUVs. BMW dickstes Auto passt perfekt hierhin.
Bild: Uwe Fischer
Text: Hartmut Adam