Ein VW California war noch nie billig, aber immer gut. Jetzt gibt es die neueste Ausgabe namens 6.1 mit noch mehr Komfort. Wir fuhren mit dem weiterentwickelten Camping-Bulli durch den wund erschönen Indian Summer von Nova Scotia in Kanada.
Wenn wir mal jemanden entdecken, der wegen des Autos, in dem wir sitzen, den Daumen nach oben reckt, gilt das eher einem Sportwagen, einem seltenen Klassiker oder einem ikonischen Kleinwagen wie der Ente oder dem Käfer. Aber der Mann in Musquodoboit Harbour meint tatsächlich unseren VW California 6.1. Das ist die neueste Version des VW Campers auf Bus-Basis. Also eigentlich nichts Besonderes.
Das sieht man hier in Nova Scotia, Kanada, anders. Obwohl das Auto hier gar nicht zu haben ist, kennt und schätzt man es. Touristen sind hier keine Seltenheit, aber normalerweise sitzen die in Wohnmobilen üblicher amerikanischer Größe und nicht in einem Raumwunder aus Hannover.
Vielleicht hat VW Nutzfahrzeuge uns genau deshalb so einen Camper der neuesten Generation zum Ausflug über Kanadas äußersten Westen eingeladen, wo sich Bären und Wölfe Gute Nacht sagen – und auch wieder Guten Morgen, weil es hier keine Problembären und keine Problemwölfe gibt. Das Leben ist rau, das Wetter auch – gleich in der ersten Nacht fegt ein Sturm mit Regenmassen übers Land, die bestens die Dichtigkeit des Daches testen.
VW hat es gut mit uns gemeint und uns das Top-Modell mitgebracht, den „Ocean“. Die neue Camp-Version auf Basis des Bullis der sechsten Generation kommt nicht nur mit geänderter Front-Optik, sondern vor allem mit vorteilhaften neuen Features innen. Serienmäßig haben wir den mit 199 PS stärksten direkteinspritzenden Turbodieselmotor zur Verfügung (es gibt auch einen mit 110 PS und einen mit 150 PS), was das Fortkommen in jeder Situation erleichtert – auch das Überholen in einem Landstrich, in dem überwiegend 80 km/h als Top-Tempo gelten. Zwar gibt es noch keine veröffentlichten Fahrleistungen, aber die Praxis zeigt wie gehabt: Der California ist das wohl wendigste und flinkste Wohnmobil, mit dem man überall die Welt entdecken kann. Fast überall: Unser Testwagen hat Frontantrieb – aber wer mehr als befestigte Straßen erobern will, kann das Model auch mit Allradantrieb haben. Da wir am Ende des goldgelben Indian Summers hier unterwegs sind, benötigen wir jedoch keine vier angetriebenen Räder, weil es keine Massen von Touristen zu überwinden gilt.
Und so autowandern wir über die wenigen Straßen, die es hier gibt, und entern Orte wie Secum Ecum oder East Quoddy. Die meisten Ortsnamen auf dieser zerfaserten, gut 55.000 Quadratkilometer großen Halbinsel Nova Scotia zeugen – neben französischem Einfluss – von der Besiedelung schottischer Einwanderer, die etwa 1622 begann. Das merken wir sowohl an Städtenamen wie New Glasgow oder Inverness als auch an der Zweisprachigkeit vieler Ortsschilder wie in Indian Brook, das auf schottisch-gälisch „Abhainn á Chùbair“ heißt.
Unsere erste Nacht ist durchwachsen – nicht nur wegen des Sturmes. Die Entscheidung, das Bett unten zu bauen, ist nur in Sachen Erfahrung gut. Zwar ist es einfach, den Wagen mit Gardinen samt Magneten und diversen Innenrollos abzudunkeln, aber das Verschieben der Sitzreihen zum Bettbauen und auch alles andere ist eher Arbeit. Dagegen ist die Nachtruhe in der ersten Etage genial: Man fährt das Dach elektrisch hoch (das funktioniert über ein neues Display oben vor der Frontscheibe, über das man auch viele andere Funktionen steuern kann wie zum Beispiel die Standheizung, die Kühlbox oder auch – und das ist neu – die Ausrichtung des Autos auf dem Campground in Sachen Kipp- und Neigungsgrad) und lässt sich auf den neuen „Federtellern“ nieder, die das Schlafen extrem angenehm machen. Wer noch fit genug ist, über die Frontsitze nach oben zu klettern, fühlt sich hier sehr wohl, solange man die Standheizung hoch genug stellt, damit sie auch oben heizen kann. Mehrere Reißverschlussfenster lassen auf Wunsch Licht rein, und nach vorne kann man jetzt fast die ganze Breite des aufgeklappten Daches öffnen.
Noch schöner aber ist es, wach und mit offenen Augen durch Nova Scotia zu fahren, besonders im späten Herbst zum goldenen Indian Summer. Zum Beispiel durch das Freilichtmuseum Sherbrooke Village. Hier stehen alte Häuser Seite an Seite – allerdings macht nur ihre Anordnung den Reiz aus, denn die Häuser an sich scheinen sich kaum von denen zu unterscheiden, die bewohnt an den Straßenrändern stehen – alle aus Holz, keines wie das andere, jedes mit viel Platz drumherum. Oft genutzt für alte Autos – manche nennen es Schrott, andere fasziniert der Verfall von historischem Kulturgut. Noca Scotia beherbergt weniger als 100.000 Einwohner, da ist eben genug Raum – nicht nur für Natur.
Die Menschen hier sind extrem entspannt und freundlich, ja geradezu zuvorkommend. So sehr, dass an bestimmten Kreuzungen gar keiner losfährt, weil man den anderen bloß nicht gefährden, aber auch freundlicherweise den Vortritt lassen will. Im Landesinneren allerdings kann es passieren, dass man eine Stunde über eine Landstraße fährt und außer den typischen kleinen Eichhörnchen keinerlei Lebewesen auf dem Asphalt entdeckt. Auch dort, wo sonst Touristen um Parkplätze rangeln, ist in dieser Herbstzeit außer Natur nichts. Das gilt besonders für den unglaublichen Cape Breton Highlands National Park ganz im Norden von Nova Scotia, wo man oben an steilen Klippen stehen kann, um die Macht des Meeres zu bewundern.
Das beherbergt übrigens noch viel Fisch – und vor allem Hummer. Den gibt es hier für 20 Dollar, und wer den Fischer kennt, kann sich die leckeren Krustentiere noch preisgünstiger einverleiben. Zumindest probieren sollte man auch „Poutine“ – eine extrem kalorienreiche Melange aus Pommes Frites sowie Käse- oder Bratensauce, getoppt von Fisch, Fleisch oder Geflügel. Gibt’s natürlich auch mit Lobster.
All das macht uns den Abschied aus Nova Scotia nach drei Tagen und fast 1300 Kilometern kreuz und quer durchs Land nicht leicht. Man kann sich eben nicht nur sehr leicht an das entschleunigte Leben in dieser freundlichen Provinz gewöhnen, wo die Zeit scheinbar langsamer läuft, die Straßen leerer sind, die Natur gewaltiger ist und der Himmel – zumindest im Herbst – dunkler, sondern auch an ein Wohnmobil, der auf relativ kleinem Raum alles bietet, was einem das Camperleben angenehm macht.
Allerdings ist das ein recht teures Vergnügen – jedenfalls was das Auto angeht. Die kostengünstigste Art, einen California 6.1 zu genießen, ist die Version „Beach Camper“ mit 110 PS, Fünfgang-Handschalter und Frontantrieb für 48.795,95 Euro. Unser 199-PS-Edel-Gegfährt mit Siebengang-Doppelkupplung ruft als Grundpreis bereits 75.208 Euro auf, mit diversen Optionen wie Zweifarbigkeit Weiß/Bronze, Anhängerkupplung, diverse Fahrassistenten, Standheizung und mehr summiert sich das auf stolze 91.371,77 Euro.
Dafür bekommt man viele Hummer. Zur Not auch noch im Hauptgebäude des Halifaxer Flughafens. Dort befindet sich ein riesiges Bassin mit lebenden Lobstern, daneben ein Verkaufsstand mit gekochten. Beide kann man sich mit Eisstückchen einpacken und an jeden Ort der Welt schicken lassen.
Muss man aber nicht. In Nova Scotia schmecken sie einfach am besten.
Technische Daten VW California 6.1 2.0 TDI
- Motor: Vierzylinder-Biturbo-Diesel
- Hubraum: 1968 ccm
- Leistung: 146 kW (199 PS) bei 3800 bis 4000/min
- Max. Drehmoment: 450 Nm bei 1400 bis 2400 min
- Getriebe: Siebengang-Doppelkupplung
- Antrieb: Vorderräder
- Länge/Breite/Höhe: 5006/1904/1990 mm
- Radstand: 3000 mm
- Gewicht: 2513 Kilo
- Zul Gesamtgewicht: 3080 Kilo
- Grundpreis: 75.208,00 Euro
- Testwagenpreis: 91.371,77 Euro
Text: Roland Löwisch
Bilder: Volkswagen AG, Roland Löwisch