Trip nach Osten– Im Porsche Cayenne durch Kamtschatka

 

Knapp 200 Vulkane machen Kamtschatka zum Hotspot für Geologen und Touristen.
Wer so lange nach Osten reist, dass er fast schon wieder im Westen landet, der kann noch touristisches Neuland entdecken. Denn bis vor wenigen Jahren war Kamtschatka von der Außenwelt abgeschnitten. Jetzt öffnet sich die russische Halbinsel im Pazifik für Besucher. Aber leicht macht es ihnen das Land der Bären und Vulkane nicht: Selbst mit einem  SUV wie dem Porsche Cayenne ist der Aktionsradius dort eher bescheiden.

 

Sergeij ist genervt. Eigentlich würde der Kapitän mit seiner kleinen Schaluppe jetzt gerne raus fahren aufs offene Meer, statt hier im Hafen herum zu dümpeln. Aber so ist das halt in der Bucht vor Petropawlowsk-Kamtschatski. Denn wenn der Marinekommandant mit seinen Atom-U-Booten drüben auf dem riesigen Stützpunkt den Ernstfall probt, dann ist die Ausfahrt eben dicht und die zivile Schifffahrt hat Pause – selbst wenn es nur ein paar Touristen sind, die Lust auf die bei Gourmets in aller Welt berühmten Kamtschatka-Krabben haben.

Und im Grunde kann Sergeij von Glück sagen, dass der Marinekommandant die Bucht nur für ein paar Stunden einfriert. Denn noch bis vor wenigen Jahren hat das Militär die gesamte Insel blockiert – und zwar dauerhaft. Im ewig schwelenden Streit mit den Japanern um die Kurilen-Inseln, die eine Art natürlicher Brücke zur japanischen Halbinsel Hokkaido bilden, war Kamtschatka Sperrgebiet und selbst Russen taten sich schwer mit einer Reisegenehmigung.

Die Porsche Flotte auf Erkundungsfahrt.

 

Doch die Zeiten ändern sich und auch ganz hinten in Russland, da wo der Osten fast schon wieder zum Westen wird, ist die Macht der Militärs erodiert. Deshalb kommen mittlerweile immer mehr Touristen mit der einen Maschine, die nach sieben Stunden Flug täglich aus Moskau landet, und entdecken einen der abgelegensten und unwirtlichsten Landstriche des eurasischen Kontinents.

Kamtschatka, größer als Deutschland aber weniger Einwohner als Bielefeld, ist touristisch buchstäblich Neuland. Aber eines, dass es zu entdecken lohnt: Denn mit 30 000 Bären in ihrer schroffen Bergwelt, mit heißen Quellen und Geysiren, mit abenteuerlichen Skipisten sowie Küsten voller Wale und eben der Kamtschatka–Krabbe haben die 300.000 Einheimischen reichlich Pfunde, mit denen sie so langsam zu Wuchern beginnen.

 

Das Lava-Rot des Cayenne Coupé passt gut zum Land der Vulkane.

 

Bis vor wenigen Jahren noch hermetisch abgeriegelt, ist die Halbinsel freilich noch nicht sonderlich gut erschlossen. Aber genau das macht ihren Reiz aus. Die vom Militär, der Fischerei und ein bisschen Schiffsbau geprägte Provinzhauptstadt wirkt vergleichswese ärmlich, ihre 180 000 Einwohner führen fernab von McDonald’s oder H&M ein Leben in Nebelgrau und Rostrot, statt Starbuck’s serviert Don Cappucino einen überraschend guten Kaffee aus dem Holzverschlag und manche Häuserzeilen sind so herunter gekommen, dass Immobilienhaie wohl nicht viel mehr als eine Handvoll Kleingeld brauchen, um sich hier ganze Straßenzüge zu kaufen. Und gewohnt wird in ehemaligen Offiziersvillen oder in Ferienlagern, wie in Finnland in die Nadelwälder um die Hauptstadt gebaut worden sind. 

 

Spektakuläre Farbenspiele in den Vulkankratern machen jeden Flug zum Erlebnis.

 

Doch natürlich steht Lenin blank poliert auf seinem Sockel an der Uferpromenade, die Einheimischen flanieren im warmen Abendlicht eines milden Frühlingtages und tanken die erste Sonne nach einem Winter, in dem es hier gerne mal minus 35 Grad hat und spätestens nach dem dritten Wodka gibt es kein West und kein Ost mehr, kein gestern und heute – sondern nur noch Freundschaft und Faszination für ein Land, das bislang kaum einer kennt. 

Um das kennenzulernen, hat Porsche eine Flotte von Cayennes eingeflogen, die wie eine Expedition vom Mars wirken zwischen all den billigen, vom Rost zerfressenen und nur noch vom Straßenschmutz zusammen gehaltenen Gebrauchtwagen, die sich die Russen aus dem nahen Japan haben kommen lassen, und den urtümlichen Offroad-Lastern des Militärs oder den Kleinbussen auf Ballonreifen, die auch da noch weiterkommen, wo die Straßenbauer den Dienst quittiert haben. Jeder einzelne kostet schon in der Basisversion fünfmal so viel wie ein Lada Niva, den sich hier als Neuwagen wohl kaum einer leisten kann. Und das halbe Dutzend Turbos zusammen reicht dann wahrscheinlich für den Sold der gesamten Marine-Basis – und zwar bis zum Ende des Jahres.

 

Auf Kamtschatka schwärmen sie auf Feuerzauber und träumen von V8-Power.

 

Im Zentrum einer Ost-Metropole wie so viele andere auch, beginnt das Abenteuer, sobald die letzten Häuser der einzigen großen Stadt im Rückspiegel verschwinden und der Asphalt immer größere Löcher bekommt, bis er irgendwann ganz aufhört und der Weg auch für den besten Geländewagen tatsächlich zu Ende ist.  Überall eröffnet sich eine grandiose Landschaft, Vulkankegel begrenzen das Panorama und kaum ist man mal um zwei, drei Ecken gefahren, scheint die Zivilisation plötzlich meilenweit entfernt. War das Navigationssystem eben noch halbwegs bei der Sache und kannte sich rings um die A401 überraschend gut aus, meldet es jetzt nur noch „Offroad, Russland“ und zur Orientierung bleibt allein der Blick aus dem Fenster. Irgendwie wird sich schon ein Weg finden, um den Gipfel des 3456 Meter hohen Koryaksky-Vulkans nahe genug für ein Foto zu kommen. Und auch der lavaschwarze Strand muss doch verdammt noch mal erreichbar sein. Schließlich waren dort eben doch ein paar ballonbereifte Nissan Gloria und Mitsubishi Space Gear auszumachen, als uns der schwere alle Militärhubschrauber Hubschrauber aus dem Tal der Geysire zurückgebracht hat.

 

Gelbe Bremssättel sind das Erkennungszeichen des Turbo S.

 

Das ist Weltkulturerbe, geologisch viel aktiver und deshalb spannender als Island oder der Yellowstone Nationalpark in den USA und für die Touristen buchstäblich ein Hotspot. Genau übrigens wie für die Bären, die hier – davon zeugen eindeutige Spuren auf dem Bohlenweg zwischen dampfenden Schlammtiegeln und die Achtsamkeit der scharf bewaffneten Ranger  – gerne Fango machen. Aber wie so vieles in Kamtschatka ist auch diese Attraktion nur aus der Luft zu erreichen. 

Denn durchgeschüttelt von der Plattentektonik und obendrein extrem dünn besiedelt, hat die Zivilisation die 1 200 Kilometer lange Halbinsel längst nicht durchdrungen und weite Teile der Region sind deshalb auch mit dem stärksten Geländewagen der Welt nicht zu erreichen: Elektronisch geregelter Allradantrieb hin, simulierte Differentialsperre, Luftfeder mit XL-Bodenfreiheit und Offroad-Fahrprogramm her. Da kann der Cayenne mit seinem dumpfen Bass noch so beleidigt grollen – auch für ihn ist die Fahrt hier überraschend schnell zu Ende. Und wenn er lavarot wird vor Zorn, sichert ihm das auch nicht mehr Aufmerksamkeit. Denn einer der Vulkane spuckt hier garantiert immer ein helleres Feuer. Nicht umsonst zählt die Statistik Jahr für Jahr sechs Ausbrüche und aktuell sind es sogar über zwei Dutzend, die aktiv sind. 

 

Ohne Allrad ist man aufgeschmissen, denn Straßen gibt es kaum.

 

Natürlich lasst der Cayenne die lokale Fahrzeugflotte alt aussehen.  Und da muss man nicht einmal das brandneue Coupé nehmen, das hier unter all den Ladas, Nissans und Toyotas so fremd wirkt wie ein Mars-Rover. Doch auch die 550 PS und die stolzen 770 Nm des V8-Turbos helfen ihm hier nur bedingt weiter.  Und auch nicht der intelligente Allradantrieb oder die Luftfederung mit der variablen Bodenfreiheit. 

Sondern wer wirklich rum kommen will in Kamtschatka, der muss entweder laufen oder reiten. Und wer lieber auf Motor- statt Muskelkraft setzt, der nimmt am besten einen schwer geländegängigen Bus, wie sie ihn hier überall einsetzen, einen zum Bigfoot ungerüsteten Jeep oder gleich den Helikopter. Denn obwohl die Insel größer ist als Deutschland gibt es hier weniger Straßenkilometer als im Saarland – und auch keine asphaltierte Verbindung aufs Festland. Dabei wäre die Tour nach Moskau sicher spannend und der Rest zurück nach Deutschland ein Kinderspiel. Stattdessen ist es höchste Zeit umzukehren, und dem Koryaksky aus dem Rückspiegel zu betrachten. Die Zivilisation ruft und in zwei Stunden geht der Flieger nach Moskau.
Schade eigentlich! 

 

Text: Thomas Geiger

Bilder: Porsche AG

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