Volvo C40 Recharge Pure Electric 

Erfrischendes Nordlicht 

Text: Renate Freiling

Fotos: Volvo

Die Elektrifizierung in der Automobilbranche schreitet in großen Schritten voran. Volvo präsentierte in Hamburg mit dem C40 Recharge Pure Electric das erste Fahrzeug der Marke, das ausschließlich mit elektrischem Antriebsstrang angeboten wird. Ist den Schweden der Einstieg in die Elektromobilität gelungen? FAT hat sich das neue, nordische Crossover-Elektro-Highlight genauer angesehen und es gefahren.

Dass Elektromobilität keine kurzlebige Erscheinung elektrisch aufgeladener Teilchen am Himmel ist, so wie die wunderbaren Nordlichter es sind, dürfte sich mittlerweile herumgesprochen haben. Eine Ähnlichkeit mit den Polarlichtern ist dennoch nicht von der Hand zu weisen, denn E-Mobility ist noch nicht fertig gedacht und ständig in Bewegung. Volvo hat daher zeitgleich zur Präsentation des rein elektrisch angetriebenen C40 Recharge Pure Electric den XC40 Recharge Pure Electric modifiziert und mit einem Frontantrieb versehen, der ab dem kommenden Sommer erhältlich ist. Damit stehen von diesem Kompakt-SUV gleich zwei Antriebsvarianten zur Verfügung. Ab 2030 will der schwedische Premium-Hersteller dann ausschließlich Elektroautos bauen und verkaufen und bis 2040 den Schritt zum klimaneutralen Unternehmen vollzogen haben. Doch zurück zum Anfang, dem Volvo C40 Recharge Pure Electric.

Bei strahlend blauem Himmel über Hamburg leuchtet die Metallic-Lackierung (Aufpreis ab 750 Euro) des Testmodells in Fjord Blue besonders kräftig. Der athletische Auftritt des inklusive Seitenspiegel knapp über zwei Meter breiten und 4,44 Meter langen Crossover-Modells kommt damit noch besser zur Geltung. Die elegante, schwarze und abgeschrägte Dachlinie unterscheidet den C40 vom XC40 Recharge Pure Electric. Das sportlich gestaltete Heck mit kleinem Spoiler lassen den C40 dynamischer als den SUV mit dem steilen Heck wirken. Das Volvo-Design ist klar und auf das Wesentliche reduziert – eben skandinavisch modern. 

Trotz all der klaren Linien findet sich eine kleine Reminiszenz an einen Vorfahren, den Volvo P1800, wenn man die Silhouette betrachtet: die Seitenlinie am unteren Fensterrand beschreibt am hinteren Ende einen Haken nach oben, was bereits bei dem von 1961 bis 1972 gebauten schwedischen Sportwagen als Designmerkmal galt. Die Verkleidung des Kühlergrills des neuen Volvo C40 Recharge Pure Electric ist in Wagenfarbe lackiert, was bei der Marke die Elektromodelle von jenen mit Verbrennungsmotoren unterscheidet. Die Scheinwerfer leuchten in Form von „Thors Hammer“ – einer geschmiedeten Gotteswaffe aus der germanischen Mythologie –, verfügen über eine Pixel-LED-Technik und passen sich automatisch den Lichtbedingungen an. Die großen LED-Rückleuchten zeigen das klassische Design in moderner Ausführung. 

Die tiefblaue Farbe der Außenhaut springt einem beim Türöffnen auch von innen entgegen: Teppiche und Türverkleidung bilden einen angenehmen Kontrast zum ansonsten schlicht in schwarz gehaltenen Interieur. Hier findet sich die gewohnt solide Qualität eines Volvo wieder. Allerdings ganz ohne Leder. Denn Nachhaltigkeit in Form des Umstiegs auf Elektromobilität ist nicht nur bei Automobilherstellern oberstes Gebot. Auch die Zulieferer sorgen mittlerweile dafür, dass verwendete Materialien möglichst nicht aus endlichen oder nicht recyclebaren Ressourcen geschöpft werden. Die Dekore im Innenraum des C40 bestehen teilweise aus recyceltem Kunststoff, die Teppiche werden zu 100 Prozent aus 71 recycelten Ein-Liter-PET-Flaschen pro Fahrzeug hergestellt. Das komplett lederfreie, textile Interieur des neuen C40 ist daher ein weiteres Zeichen von Volvo für Umweltbewusstsein und Verantwortung. Wer jedoch auf Lederoptik nicht verzichten möchte, kann eine Ledernachbildung aus Microtech für 1.570 Euro Aufpreis bestellen. 

Nun laden die Straßen Hamburgs zum Erkunden ein. Die geballten 408 PS der beiden an Vorder- und Hinterachse platzierten Elektromotoren werde ich vielleicht nicht ausfahren können, und auch die 444 Kilometer Reichweite kann ich zeitbedingt wohl kaum ausschöpfen. Zunächst steht also die Alltagstauglichkeit auf dem Prüfstand. Sie beginnt mit den Einstellungen des Systems auf dem Touchscreen oberhalb der Mittelkonsole. Hier kann der versierte Fahrer ähnlich wie bei einem Smartphone alle Funktionen des serienmäßigen „Pilot Assist“ mit Lenkhilfe und Abstandsregelung, der adaptiven Geschwindigkeitsregelung „ACC“ oder der Geschwindigkeitsbegrenzung „Speed Limiter“ auf seine Bedürfnisse konfigurieren. Das Android Automotive Infotainmentsystem, dass die intuitiven Google Services bietet, lässt sich zudem per Sprachsteuerung aktivieren und könnte beispielsweise mit dem Befehl „Hey Google, heiz‘ den Wagen vor!“ das Nötige veranlassen, um beim Einsteigen weder frieren noch Scheiben freikratzen zu müssen. Dieser Komfort ist bei Volvo ebenso wie die Sicherheitsleistungen und -assistenten in der Serienausstattung enthalten.

Nachdem Wasser und Kaffee in den dafür vorgesehenen Abstellmöglichkeiten in der Mittelkonsole verstaut sind und das Handy auf der Fläche für induktive Aufladung dahinter platziert und mit dem Bordsystem vernetzt ist, kann es losgehen. Der Start funktioniert einfach: Ohne Schlüssel oder Knopfdruck ist der Wagen bereit, sobald der Fahrer vom Bremspedal geht und die Position D (oder R) angetippt hat. Mit Leichtigkeit bewegt er sich wendig um die Ecken und wechselt hurtig die Spuren beim Überqueren der Kennedybrücke in Richtung Osten. Besonders nützlich kann im Stadtverkehr die Funktion des „One Pedal Drive“ sein, wenn beispielsweise ein Blitzer in Sichtweite käme. Beim Ein-Pedal-Fahren sind nämlich Gas und Bremse – unabhängig von dem eigentlichen Bremspedal links – auf einem Pedal vereint: Nimmt man den Fuß vom Gas, setzt sofort die Bremsfunktion ein, was zum einen dem Fahrer beim Tempohalten hilft und zum anderen mit der Rekuperation umgehend Energie rückgewinnt. 

Für eine Änderung der Navigation während der Fahrt empfiehlt sich die Nutzung von Google Services. Mit der Spracheingabe, die einfach per Bedientaste am Lenkrad zu aktivieren ist, nimmt die Wegweisung die gewünschte Fahrt auf. Die Route wird auf dem Fahrerdisplay hinter dem Lenkrad, das über zwei Anzeigelayouts verfügt oder auf dem Touchscreen über der Mittelkonsole angezeigt. Die verfügbaren Ladestationen in der Nähe erscheinen allerdings nur, wenn die Routen bereits vorprogrammiert wurden. Doch das ist für mich zweitrangig, denn derweil ist die Ladeanzeige erst auf 77 % gesunken, eine Aufladung also noch lange nicht notwendig. Apropos Ladung: Das Volumen des Kofferraums, das für ein Elektroauto doch einigermaßen geräumig erscheint, lässt sich von 413 Litern durch Umlegen der Rücksitzlehnen auf 1.205 Liter steigern.

Den Hamburger Stadtverkehr hinter sich lassend, steuert der Volvo C40 Recharge Pure Electric nun die Süderelbe an. Das Drehmoment von 660 Newtonmetern ist bei der Beschleunigung auf der Deichstraße von 30 auf 70 km/h bereits trotz eines Leergewichts von 2.185 Kilogramm ausreichend spürbar. Und dass er von 0 auf 100 in 4,7 Sekunden spurtet, muss er nicht erst beweisen. Auf gerader Strecke gleitet der C40 Recharge Pure Electric dahin und vermittelt auf seinen 20-Zoll-Leichtmetall-Felgen (Aufpreis: 660 Euro, serienmäßig mit 19-Zoll-Felgen) das Gefühl guter Bodenhaftung. Selbst bei einem spontan eingeleiteten Überholmanöver zeigt er sich ebenso stabil wie agil. Zu verdanken ist die gute Straßenlage der Fahrzeugarchitektur und dem Fahrwerk. Die weit unten und zentral angeordneten Batterien schaffen einen tief liegenden Schwerpunkt des Gewichts, das Fahrwerk mit Multilenkern und der Allradantrieb sowie die beiden Elektromotoren an Vorder- und Hinterachse sorgen für eine komfortable und sichere Fahrdynamik.

In Hamburg hat Volvo keinen Kaffeestopp für potenzielle Kunden installiert, wohl aber einen Powerstop in Irschenberg an der A8. An diesem Pop-Up-Test-Store von Volvo und Polestar können Fahrer elektrifizierter Automobile seit Februar 2022 nicht nur die Batterien ihrer Fahrzeuge aufladen: Neben vier 150-kW-Schnellladestationen, für Besucher kostenlos nutzbar, laden die beiden schwedischen Automobilmarken zu Probefahrten mit ihren vollelektrischen Modellen sowie einer traditionellen schwedischen „Fika“ mit Kaffee und Zimtschnecke ein. Die Idee, die notwendige Ladepause zum Testen eines weiteren E-Autos zu nutzen, ist – ohne Frage – geschäftstüchtig. In Zukunft könnten daher solche Pausen-, Lade- und Test-Stationen eventuell noch öfter und an anderen Orten zu finden sein. Für mich muss erst einmal eine normale Bäckerei am Deich zum Koffein-Aufladen ausreichen. Und sollte das Akku des C40 doch einmal leer sein, ermöglicht ein 11-kW-Bordladegerät das schnelle Laden unterwegs: An Gleichstrom-Schnellladestationen genügen zehn Minuten, um weitere 100 Kilometer fahren zu können.

Um zügig zurück ans Ziel an der Außenalster zu kommen, entscheide ich mich für die Autobahn. Während die vereinzelten Wolken am Himmel im Eiltempo von Flugzeugen voranzuziehen scheinen, treibt der Volvo C40 mit Tempo 120 im fließenden Verkehr, unterbrochen von spontanen Überholmanövern. Die Höchstgeschwindigkeit von 180 km/h, bei der Volvo alle seine Modelle abgeriegelt hat, in diesem Lkw-Dschungel zu erreichen, ist illusorisch. Im Inneren des C40 lässt sich zudem die Sonne über den Elbbrücken genießen, die durch das riesige Panoramadach dringt, wenn auch die Windgeräusche die Ruhe zeitweise beeinträchtigen. Kommt der Wagen beim Fahren mit Tempomat mal zu weit an die rechte Spurbegrenzung, reagiert die Lenkhilfe moderat und greift regulierend ein, ohne mich dabei allzu sehr zu erschrecken. 

So endet die Fahrt an der Außenalster ziemlich entspannt, die Ladeanzeige steht noch bei ganzen 66 Prozent nach fast 140 Kilometern und dreieinhalbstündiger Fahrt. Aus dem neuen Volvo C40 Recharge Pure Electric auszusteigen, fällt mir schwer, denn er gefällt mir: Er macht einerseits den Volvo-typischen soliden Eindruck und vermittelt ein sicheres Fahrgefühl, andererseits ist er erfrischend spritzig und dabei unkompliziert. Für mich ist er ein strahlendes Nordlicht am Himmel der neuen Elektro-Stars. 

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