Volvo XC60 – Nordischer Zylinderschwund

„Der Markt für Sport Utility Vehicle boomt auch weiterhin.“ Thomas Bauch, Geschäftsführer Volvo Car Germany
„Der Markt für Sport Utility Vehicle boomt auch weiterhin.“ Thomas Bauch, Geschäftsführer Volvo Car Germany
Ab 2019 ist das überarbeitete Produktportfolio von Volvo fertig und übersichtlich: Es gibt dann genau drei Baureihen, jede aber als Limousine, Kombi, Cross Country und XC – also als SUV. Der rest ist Downsizing: Kein Motor wird mehr als vier Zylinder besitzen. FAT kurvte schon mal mit dem frontgetriebenen XC60 T6 durch die Alpen und weinte ein bisschen.

Es schneit. Nein, anders: Der Schnee schüttet nur so aus dem Himmel. Die Gegend um Salzburg wird zugedeckt von der weißen Pracht, und wir sitzen in einem fetten, edlen SUV namens XC60 T6, freuen uns auf 306 PS und Allradantrieb – denkste: Allrad ist nicht, trotz so kraftvollem Vierzylinder. Allrad gibt’s zwar auch im XC60, aber nur mit einem Sechszylinder gekoppelt und nur noch bis Sommer, jedenfalls mit dem großen Motor… Zugegeben, noch herrscht bei Volvo etwas Chaos. Das liegt an der noch nicht ganz vollstreckten Loslösung vom ehemaligen Eigner Ford hin zur noch nicht ganz vollzogenen Ehe mit den Chinesen in Form des Autoherstellers Geely, der Volvo 2010 kaufte.

Fahrerorientiertes Cockpit: Der Pilot fühlt sich bereits beim ersten Kontakt wohl.

Wir lösen auf: Tatsächlich hat Volvo den XC60 sowohl als Vierzylinder mit 306 PS sowie Frontantrieb im Angebot als auch mit Allradantrieb und mit 304 PS starkem Sechszylinder. Soll heißen: Downsizing gibt’s vorerst nur mit angetriebener Vorderachse. Der Sechszylinder, der drei Liter mehr Sprit auf 100 Kilometer verbrauchen soll, stirbt im Sommer. Dann übernimmt auch hier der Vierzylinder samt Turbolader und Kompressor die Macht. Und das wird heißen: Kein Motor mehr bei Volvo, der mehr als vier Zylinder hat.

Adieu Fünf- und Sechszylinder

Eine Ära geht zu Ende. Hauptgrund: Gesetzliche CO2-Flottenvorgaben, die Volvo mangels reiner Elektro-Autos oder Kleinstwagen sonst nicht erfüllen kann.
Das kann man bedauern und betrauern, denn die Sechszylinder sowie die Fünfzylinder unter Volvos Hauben galten als fett und standfest. Als Volvo nach dem 940 dem Hinterradantrieb ade sagte, wurde auch ge-jammert – und heute ist das fast kein Thema mehr.
Also scheint Volvo auf dem richtigen Weg. Die Zahlen sprechen für sich: Volvo hat im Jahr 2014 knapp 466.000 Pkw verkauft, neun Prozent mehr als 2013 und damit so viele wie noch nie. Allein in Deutschland waren es mehr als 31.000 Stück, damit sogar 16 Prozent mehr als in 2013.

Ziel: 7,5 Prozent Marktanteil

Den Löwenanteil hatte dabei der XC60. „Der Markt der SUVs boomt weiter“, freut sich Thomas Bauch, Geschäftsführer von Volvo Car Germany. Fast die Hälfte aller Autos waren XC oder Cross-Country-Modelle, in 86 Prozent von allen verkauften Volvo nagelten Dieselmotoren unter den Hauben. Bauch: „Grund genug, den Benzinermarkt anzustoßen.“ Was mit dem XC60 T6 gelingen soll. Die Pläne sind engagiert: Volvo will bis 2020 weltweit 800.000 Autos absetzen, allein in Deutschland 60.000, was einem Marktanteil von 7,5 Prozent im Segment der Premium-Autos bedeuten würde.
Dabei schrecken die Volvoaner auch nicht vor ungewöhnlichen Lösungen zurück, wie zum Beispiel einem S60 Cross Country. Was nichts anderes ist als eine karosseriemäßig hochgelegte Limousine mit großen Rädern, die aussieht, als trüge sie an zu dünnen Beinen zu große Pumps.  „Klar, das Auto hat eine begrenzte Verkaufsmöglichkeit“, weiß auch Bauch, „aber es passt zu uns.“

„Klar, das Auto hat eine begrenzte Verkaufsmöglichkeit“, weiß auch Bauch, „aber es passt zu uns.“

Jetzt aber endlich mit dem XC60 in die weiße Pracht – aber mit Vorsicht. Man muss sich immer wieder in Erinnerung rufen, dass die 306-PS-Version trotz seiner imposanten Größe (der neue XC90 ist als Top-Modell allerdings noch größer) nur vorne mit den Reifen scharrt. Und das selbst im Trockenen bei kräftigen Gasstößen – auf Schnee hat das Auto manchmal keine Chance, und das ESP kann nur noch verzweifeln. Ansonsten gibt es nicht viel auszusetzen am Volvo: Die Mittelkonsole wirkt sehr aufgeräumt, wenn man sich mit den 32 Schaltern und vier Drehknöpfen auf kleiner Fläche angefreundet hat. Rund ein Dutzend Knöpfe hält noch mal das griffige Lenkrad bereit. Das Achtgang-Getriebe arbeitet unauffällig im Verborgenen, die Verarbeitung hinterlässt einen angenehmen Eindruck. Trotzdem sind wir froh, als wir im Zuge der Wintertestfahrten in einen allradgetriebenen V40 Cross Country umsteigen dürfen und auf einer präparierten Piste den 245 PS starken Pkw auch ohne ESP fliegen lassen können.
Die Preise, die Volvo fordert, bringen einen allerdings wieder auf den Boden der Tatsachen.

Dreizylinder sind in Planung

So ein XC60 T6 in der Ausstattung „Momentum“ kostet 47.400 Euro, unser brauner Testwagen kommt mit kiloweise Extras auf 65.515 Euro. Nur zur Info: Wer doch noch schnell den Sechszylinder haben will, zahlt für ihn als „Momentum“ 50.900 Euro, als höherwertigen „Summum“ 54.180 Euro – ohne weitere Extras. Immerhin bietet Volvo dazu noch das „Werkstuning“ an: Die „Polestar Performance“ kostet 1.199 Euro (ohne Einbau) und bringt den Motor auf 329 PS und 480 Newtonmeter.
Der nordische Zylinderschwund ist übrigens mit dem Abgesang auf den Sechszylinder längst noch nicht abgeschlossen: In vier Jahren arbeiten in den Premium-Schweden auch Dreizylinder. Die Chinesenschweden meinen das ernst.

Schön illuminiert: Das SUV macht einen hochwertigen Eindruck.
So lange der Schnee nicht auf der Straße liegt, reicht Front­antrieb vollkommen aus.
So lange der Schnee nicht auf der Straße liegt, reicht Front­antrieb vollkommen aus.
Volvo XC60 T6
  • Motor: Vierzylinder mit Turbolader und Kompressor
  • Hubraum: 1.969 ccm
  • Leistung: 306 PS (225 kW) bei 5.700 U/min
  • Max. Drehmoment: 400 Nm bei 2.100 bis 4.500 U/min
  • Getriebe: Achtgang-Geartronic
  • Antrieb: Vorderräder
  • Länge/Breite/Höhe: 4.644/1.891/1.713 mm
  • Radstand: 2.774 mm
  • Gewicht: 1.834 kg
  • Kofferraumvolumen: mind. 495 l
  • Beschleunigung: 0-100 km/h in 6,9 sec
  • Top-Speed: 210 km/h
  • Verbrauch kombiniert: 7,3 l
  • CO2-Emissionen: 169 g/km
  • Basis-Preis (T6 Momentum): 47.400 Euro
  • Testwagen-Preis: 65.515 Euro
  • www.volvocars.com

Fotos: Volvo Car Germany GmbH

Text: Roland Löwisch

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