Fahren, fliegen, leben

Hyundai gehört zu den Antreibern der Elektromobilität. Doch Stromer auf die Straße zu bringen, ist dem Konzern nicht genug: Er plant die Mobilität für die Megacities der Zukunft

Hyundais Vision einer Megacity mit Air-Taxi

Einen vergleichbaren Umbruch der Autobranche, als sie ihn derzeit durchlebt, hat es in der über 130-jährigen Geschichte der motorisierten, individuellen Mobilität wohl noch nie gegeben. Der Elektro- löst den Verbrennungsmotor auf breiter Front ab, und gleichzeitig stellen von Sharing-Modelle den klassischen Autobesitz in Frage: Die Disruption ist in vollem Gange. Sie bedroht manche, langsam reagierende Autohersteller, die sich an bewährten Konzepten festklammern – und eröffnet anderen völlig neue Chancen, die über Jahrzehnte eingeübte Hierarchie von Preiswert- und Premiummarken gehörig durcheinander zu wirbeln.
So betrachtet, har der südkoreanische Autohersteller Hyundai bisher offenbar sehr viel richtig gemacht: Bei batterieelektrischen Pkw erreicht er in Deutschland einen Marktanteil von 7,1 Prozent: Das ist Platz drei hinter Tesla und VW, und teils deutlich vor bisherigen Platzhirschen wie Mercedes, BMW, Opel oder Ford. Großen Anteil an diesem Erfolg hat das elektrische SUV Ioniq 5, das auf der rein elektrischen Plattform des Konzerns – inklusive Kia und Genesis – basiert. Zweites Hyundai-Modell darauf ist der Ioniq 6, der indes mit komplett anderem Styling daherkommt. Es erinnert an das Stromlinien-Design der goldenen 1920er, angereichert mit LED-Leuchtband.
Ein extrovertierte Design – das eher klassisch auftretende Modelle wie den neuen (auch rein elektrischen) Kona ergänzen – ist wichtiger und weithin sichtbarer Teil der Zukunftsstrategie, die da lautet: Ab 2026 werden sämtliche Modellreihen in Europa auch oder ausschließlich mit alternativen Antrieben angeboten. Ab 2035 wird es, unabhängig von Gesetzes-Kapriolen, nur noch rein elektrisch fahrende Pkw geben, die ihren Strom entweder aus Akkus oder Wasserstoff beziehen. Weitere zehn Jahre später wird das komplette Unternehmen Hyundai Motors klimaneutral aufgestellt sein.


Und doch ist diese eindrucksvolle Verpflichtung zu CO2-Eliminierung nur ein Teil eines umfassenden Masterplans, der Mobilität weltweit umweltfreundlicher, effektiver und sozialer gestalten soll. Er beginnt mit nachhaltigen Maßnahmen für die Fahrzeuge – etwa der Partnerschaft mit Healthy Seas. Diese caritative Organisation hat sich nicht weniger als die Rettung die Weltmeere auf die Fahne geschrieben: Ihre Taucher bergen herrenlose, zerrissene Fischernetze aus den Ozeanen, deren langlebiger Kunststoff etwa als Faser für Fußmatten in Hyundai-Pkw ein zweites, sinnvolles Dasein erhält.
Die Ambitionen des südkoreanischen Autoherstellers gehen freilich weit darüber hinaus, nur umweltfreundliche, nachhaltige und klimaneutrale Automobile zu entwickeln, zu produzieren und an den Kunden zu bringen. Denn Hyundai Motors ist auf dem Weg, sich vom Fahrzeug-Hersteller zum Anbieter tiefgreifender Mobilitäts-Lösungen zu entwickeln, bei denen der individuelle Pkw zwar eine wichtige, aber eben nur eine von verschiedenen Ansätzen darstellt.
Kernpunkt dieses Konzeptes ist die menschen- und mobilitätsfreundliche Stadt, deren Vision Hyundai Smart City getauft hat. Der Autohersteller bezieht sich dabei auf die UN, laut der über zwei Drittel, nämlich 68 Prozent der Weltbevölkerung in Megacities leben – Tendenz steigend. In diese Kommunen von zehn und mehr Millionen Einwohnern möchte Hyundai Ordnung in den Verkehr bringen, und so Lebensqualität und Gesundheit der Bürger mehren – wozu auch die klimaneutrale Energieversorgung mit Wasserstoff beiträgt.
Für ihr Konzept teilen die koreanischen Planer die Ballungsräume, vereinfacht ausgedrückt, in drei Zonen auf: Der innere Stadtkern, die angrenzenden Außenbezirke, sowie das Umland. Je weiter innen, so die Idee, desto öffentlicher und automatisierter soll der Verkehr laufen. Downtown, wo vor allem Büros und Firmen angesiedelt sind, übernehmen autonom und unterirdisch fahrende Sammel-Shuttles die Mobilität, die auch Pendler von den äußeren Wohngebieten zu ihren Jobs bringen. In den äußeren Stadtregionen sichern ebenfalls autonome und vernetzte, aber individuell buchbare Vehikel die Bewegungsfreiheit, während in den Wohn- und Freizeitgebieten, sprich „im Grünen“, die Bewohner nach Belieben frei fahren.

hyundai ioniq 6


Besonders eilige Zeitgenossen heben für die flinke Reise zur und in der City sogar ab. Denn Hyundai engagiert sich auch bei der sogenannten Urban Air Mobility: Die Südkoreaner tüfteln auch an einem Flugtaxi der Klasse eVTOL (electric Vertical Take-Off and Landing), das elektrisch betrieben senkrecht, also mit wenig Platzbedarf, abheben und landen kann, und dazwischen viel frequentierte Strecken, beispielsweise von Flughäfen in die Innenstadt, schnell zurücklegt. Diese Art fliegende Minivans gelten seit einiger Zeit als Mittel der Wahl, um Staus am Boden aufzulösen.
Zwischen den Metropolen wiederum setzt Hyundai auf Advanced Air Mobility, kurz AAM, quasi einen optimierten und umweltfreundlichen Nachfolger der heutigen Kurzstrecken-Linienflüge. Statt auf Flughäfen sollen die Maschinen gleich auf Hochhaus-Hubs mitten in der City landen.
Der Optimismus der Hyundai-Manager ist jedensfall nach oben offen. „Unsere Mobilitätslösungen in der Luft und am Boden werden die Grenzen des urbanen Lebens neu definieren, die Menschen auf sinnvolle Weise verbinden und die Städte neu beleben“, prophezeit Youngcho Chi, Präsident und Chief Innovation Officer der Hyundai Motor Group. Und was heute noch nach Utopie klingt, kann schon bald Realität sein – schließlich startete das Elektroauto seinen Siegeszug auch früher, als die meisten erwarteten.

Fotos: www.hyundai.com

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