Unterwegs in Norwegen – Range Rover Velar

Der Range Rover macht eine gute Figur bei der Testfahrt durch die norwegischen Fjorde.
So schick und stylisch war noch kein Britischer Offroader: Begegnung mit dem neuen Range Rover Velar in Norwegen.

Norwegen auf dem Elektrotrip: In kaum einem anderen Land sind Tesla, Nissan Leaf, BMW i3 so präsent im Straßenverkehr. Die Strommobile flitzen die Fjorde entlang, rumpeln auf die Fähren, parken an den vielen öffentlichen Ladestationen. Wuchtige Geländewagen, die doch eigentlich zu einem schneereichen Land an der Nordgrenze Europas gehören, wirken hier mittlerweile wie aus der Zeit gefallen.

Außer, ein Off-Roader sieht so aus wie der neue Velar, den Land für FAT im Land der Fjorde zur Verfügung stellte – mit schicker, coupéartige Linie, sportlich, elegant. Ein würdiger Gegner für Porsche Macan oder BMW X6. Und ein weiterer Schritt der zum indischen Tata-Konzern gehörenden Briten, die Edelmarke von Land Rover als Design-Ikone zu positionieren – nach dem überaus erfolgreichen Evoque, der optisch geschickt den Spagat zwischen Dynamik und Abenteurer-Auto übt.

Der neue Velar mit schicker, coupéartiger Linie. Sportlich und elegant.

 

Der Velar ist mit 4.80 Metern klar größer als der Evoque, nämlich volle 43 Zentimeter länger, und schließt im Programm somit die Lücke zum noch wuchtigeren Range Rover Sport. Wobei von wuchtig beim Velar nicht wirklich die Rede sein kann: So stylish, so athletisch gezeichnet kam noch kein Modell aus Solihull daher. Die schmale LED-Beleuchtung verschlankt den Wagen weiter, und nicht mal abstehende Türgriffe stören den glatten Auftritt: Die sind nämlich bündig und aerodynamisch wertvoll in die Karosserie versenkt und gleiten erst beim Entriegeln mittels Keyless Go heraus.

Ähnlich wie auch der ungewöhnliche Automatik-Drehschalter nur bei Bedarf herausfährt. Überhaupt, das Interieur: Edle Hölzer erzeugen Luxus-Feeling. Für Vegan-Fans gibt es, alternativ zum üblichen Leder und natürlich gegen Aufpreis, einen sehr hochwertigen Stoff.

Vor dem Cockpit würde sich Captain Kirk sofort zu Hause fühlen. Kaum ein mechanischer Schalter ist zu sehen, dafür glitzern drei große Displays, informieren über Fahrdaten, verändern sich auf Fingertipp, zeigen Kamerabilder, wechseln mal die Farbe und mal die Funktion. So konsequent schmissen bislang nur Tesla und der Audi im neuen A8 mechanische Schalter raus.

Nichts entgeht der Einbindung in den Tablet-Style, nicht mal die heiligen Knöpfe zur Wahl des Allrad-Modus: Drückte der Fahrer in bisherigen Modellen noch mechanische Tasten, um etwa zwischen Straße, Geröll oder Schnee zu wechseln, tippt er jetzt sanft mit der Fingerspitze auf ein gläsern glänzendes Icon – oder klickt am Drehregler, mit dem er eben noch die Temperatur der Klimaanlage bestimmte.

Ein würdiger Gegner für Porsche Macan und BMW X6.

 

Die Mechanik, die er so manipuliert, ist indes nach wie vor von jener Robustheit, die zur unverhandelbaren Grundausstattung aller Fahrzeuge der britischen Off-Road-Experten gehören. Allradantrieb, Geländegänge, Differentialsperren, eine Wattiefe von einem Zweidrittel Meter: Alles an Bord. Wer weiß, was er tut, findet im Velar ein zuverlässiges Werkzeug für harte Geländearbeit. Die Frage, ob die Kunden eines mindestens 56400 Euro teuren Edel-SUV ihr Designer-Schätzchen überhaupt angemessen rannehmen, beantwortet Marketing-Chef Brian Fousse ehrlich: „Sie wollen wissen, dass es ginge.“ Und klar, es geht – und wie. Der Velar meistert heftigste Geländepassagen mit britischer Gelassenheit. Ein BMW X6 beispielsweise muss da deutlich früher abdanken.

Der ist allerdings auch klar als Onroad-Fahrzeug positioniert, während der Range auch auf Asphalt die typischen Eigenschaften eines Offroades bietet. Und das bedeutet in erster Linie: Mit eher komfortabler als sportliche Auslegung bügelt die Luftfederung die Zumutungen schlechter Straßen platt. Sie bietet dem Fahrer also genau das, was er von einem Range erwartet. In den Wettbewerb um das höchste Kurventempo wird ein Modell aus dem Hause Land Rover wohl nie eintreten, dafür gibt es ja mittlerweile die SUVs der Schwestermarke Jaguar.

Wer also die Agilität eines BMW der X-Reihe erwartet, dürfte mithin auch einen Velar als zu schwerfällig empfinden. Wer dagegen von einem anderen Engländer, etwa dem Range Rover Sport umsteigt, dürfte von der Agilität recht angetan sein.

Der gefällig designate Velar vor schroffen Bergen in Europas hohem Norden.

 

Wozu natürlich auch die Motoren beitragen – die am oberen Ende der Leistungsskala, wohlgemerkt. V8-Triebwerke wie ihn den ganz großen Ranges gibt es zwar nicht, dafür kräftige V6, als Diesel mit 300, als Benziner mit 380 PS. Vor allem der laufruhige Ottomotor ist ein perfekter Partner für dieses Style-Mobile, der den 1,8-Tonnen-Wagen souverän über die Straße wuchtet und behende antritt – sofern man das beurteilen kann in einem Land, in dem an jeder Ecke Tempokontrollen lauern, die jedes km/h zuviel empfindlich ahnden.

Man kann auch zum Vierzylinder mit 180 PS (Benziner) oder 240 PS (Diesel) greifen. Auch damit eine stilvolle Fortbewegung möglich – für unter 60 000 Euro. Wahrscheinlicher ist, dass viele Velar-Kunden gut und gerne 100 000 Euro oder mehr investieren. Was den Stammkunden der Marke durchaus angemessen ist. Die Besitzer eines Range sind, wie Fousse in völliger Abwesenheit britischen Understatements bemerkt, „fünfmal so reich wie die einer Mercedes S-Klasse.“ Bisherige Fahrer eines BMW, die für eine Testfahrt mit dem Velar erstmals bei einem Range-Händler vorbeischauen, sollten ihr Billigmobil X6 also besser hinter einer Hecke verstecken.

Text: Marcus Efler

Foto: Jaguar Land Rover Deutschland

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