„Wir können Autos bis zu 7 Kilogramm leichter machen.“ 

Wie das Tech-Unternehmen actnano aus Boston die Automobilwelt
sicherer, günstiger und fortschrittlicher machen will.

FAT.Mobility-Report Chefredakteur Hartmut Adam im Gespräch mit Taymur Ahmad

Taymur Ahmad ist auf einer Mission. Er will das Autofahren sicherer machen, zugleich die Produktionskosten senken sowie Menschen und Umwelt nachhaltig schützen.

Doch für ihn ist das Automobil nur der Auftakt. Mittelfristig soll Ahmads Produkt „nanoguard“ Auto-Waschanlagen überflüssig machen, ganze Hausfassaden schmutzabweisend werden lassen und Textilien „Flecken-immun“ gestalten. Doch ein Schritt nach dem anderen.

Wer die große Dimension des nanoguard verstehen will, taucht hierfür zunächst in die Tiefe der Details ein. In jedem Fahrzeug sind heute etliche Platinen verbaut. Und die sind zum Schutz vor Korrosion lackiert. Fast komplett. Und genau da setzt die Nanobeschichtung aus Boston an: Herkömmliche Schutzbeschichtungen lassen nämlich wesentliche Umfänge ungeschützt, weil sie sonst nicht mehr funktionieren. Dazu gehört die Antenne, weil sonst das Signal zu schwach würde. Die Steckverbindung, da sonst weder Strom noch Informationen fließen könnten. Und der Prozessor, weil er zu heiß würde.

Was mit diesen ungeschützten Elementen passieren kann, weiß jeder, dem das Handy schon mal ins Wasser gefallen ist.

„Ich nenne das die Strategie Hoffnung“, führt Ahmad aus. „Hoffnung, weil man genau weiß, dass die wichtigsten Bauteile nicht geschützt sind.“, ergänzt er. Und das in einer Branche, in der Fahrzeuge mehr und mehr assistierend, automatisiert und vielleicht zukünftig gar autonom fahren sollen. Was dann ein Platinen-Ausfall für die Gesundheit von Verkehrsteilnehmern bedeuten kann, will man sich lieber nicht vorstellen. „Nanoguard schützt die gesamte Platine, mit allen darauf verbauten Umfängen. Es weist Wasser ab, verschlechtert nicht das ein- oder ausgehende Signal, gibt die Temperatur des Prozessors an die Umgebung ab und schützt auch die Steckverbindungen. Das kann sonst keine andere Beschichtung.“, so Ahmad mit der Souveränität des Wissenden. 

Etliche Jahre Entwicklungsarbeit sind dem Patent auf die Nanobeschichtung vorausgegangen und zugleich stehen die Bostoner nicht still. Nachdem nun einige namhafte Kunden in den USA und Europa ebenso gewonnen werden konnten wie etliche, vorwiegend deutsche Investoren, zielt Taymur Ahmad mit seinem Team bereits auf die nächsten Möglichkeiten und Varianten des nanoguard. So kann mit entsprechenden Anpassungen die wasserabweisende Wirkung auch das Beschlagen von Scheiben verhindern, was vor allem bei Elektrofahrzeugen interessant werden sollte. Schließlich kostet hier das Heizen auch Reichweite, die man zumindest teilweise zurückgewinnen kann. Apropos Kosten: Zwar ist die Beschichtung selbst als Produkt teurer, aber das Bauteil wird mit nanoguard durch verbesserte Produktionskosten günstiger. Hier können alle Beteiligten zu Gewinnern werden.

Wie es die Bezeichnung bereits impliziert, bringt eine Nanobeschichtung zudem Gewichtsvorteile mit sich. Auch, wenn diese eher theoretischer Natur sind, denn bekanntermaßen werden die meisten der verbauten Platinen nicht komplett vor Umwelteinflüssen geschützt. Würde in einem Auto jede Platine mit herkömmlichen Mitteln so gekapselt, dass sie die Schutzwirkung von nanoguard erreicht, dann läge der Gewichtsvorteil bei bis zu 7 Kilogramm.

Etwas weiter in der Zukunft liegt das Ziel, Auto-Waschanlagen überflüssig zu machen. „Stell‘ Dir vor, Dein Auto würde nach 10 Jahren genauso aussehen wie beim Kauf. Autowaschen ist eine der überflüssigsten Tätigkeiten überhaupt. Schädlich für die Umwelt. Und nur dazu da, dass wir besser aussehen. Ich will, dass das nicht mehr sein muss.“, führt Ahmad aus.

Wie ernst er jedes Wort meint, zeigt seine Vita. Bei Philips wurde ihm in internationaler Produktionsverantwortung bewusst, wie gesundheits- und umweltschädlich die herkömmlichen Beschichtungen für Platinen sind. Und wie fehleranfällig. Deshalb ist es ihm von größter Bedeutung, dass nanoguard flour-frei und in keiner Weise gefährlich für Menschen ist. Wenn man all die Leidenschaft und Überzeugung in ihm sieht, hat man auch keinen Zweifel daran, dass die Beschichtungen für Textilien oder Hausfassaden kommen werden. Mit welcher Hingabe er actnano aufbaut und führt zeigt sich dabei auch an einem kleinen Detail. Die Firma ist in den Anfangsjahren umgezogen, von Chicago nach Boston. „Wir wollten dorthin, wo die besten Absolventen sind – zum MIT. Wir erwarten nicht, dass die Talente uns folgen. actnano geht zu ihnen.“, schließt Taymur Ahmad ab.

Fakten: Taymur Ahmad hat unter anderem bei ALCOA und Philips Erfahrung in den Bereichen Automobil und Elektronik gesammelt. 2012 gründet er actnano. Seit 2018 zählt Tesla zu den Kunden. Zu den Investoren zählen beispielsweise BMW, Porsche, Hella oder Henkel.

Text: Peter Mahler Fotos: actnano

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