Ab in den Süden!

Es muss für den Weg in den Westen nicht immer die Route 66 sein! Wer die USA tief im Süden durchquert, der lernt Amerika von einer ganz anderen Seite kennen. Erst recht in einem Auto wie dem neuen BMW XM.

Ein kurzer Ausflug in den White Sands National Park zuckert die Reiseerinnerungen.

Von Küste zu Küste durch Amerika? Wer an die Mutter aller Roadtrips denkt, dem kommt zuallererst die Route 66 in den Sinn. Denn keine Strecke ist berühmter und keine hat mehr Strahlkraft als die „Hauptstraße Amerikas“, die sich über 2.500 Meilen von Chicago nach Los Angeles schlängelt. Doch bei aller Liebe zur „Motherroad“ gibt es auch keine Route, die ausgefahrener ist und die spätestens seit dem Disney-Film Cars kaum mehr zu bieten hat als eine Kitsch-Kulisse. 
Wer wirklich was erleben und sich dabei wie ein Entdecker fühlen möchte, der muss deshalb neue Wege suchen – und landet zum Beispiel auf der Route von Florida nach Arizona, ganz im Süden, wo das Herz Amerikas einen anderen, sehr viel gemütlicheren Tackt schlägt. Gelähmt von schwüler Hitze, schleicht einem mit dem allgegenwärtigen Blues eine zartbittere Melancholie ins Gemüt, das Blut fühlt sich plötzlich dicker an und fließt so langsam und träge, wie der Mississippi, der sich im Delta durch tausende von Sümpfen in die Bucht von Mexiko ergießt.
Das Auto für diesen Roadtrip trägt zwar ein BMW-Logo und wurde in München entwickelt, ist aber ein waschechter Amerikaner. Und zwar nicht nur, weil der neue XM gemeinsam mit den anderen großen X-Modellen im US-Werk Spartanburg produziert wird. Sondern auch, weil er einen durch und durch amerikanischen Charakter hat: Stolz, selbstbewusst, kraftstrotzend und – ja- bisweilen auch ziemlich vorlaut. 
Aber während sich bei uns seit den ersten Fotos ein Shitstorm über die Bayern ergießt, rümpft hier keiner die Nase über das goldene Ornat, sondern zückt allenfalls das Handy. Selbst der Zöllner, der eigentlich illegale Einreisen aus Mexiko verhindern soll, staunt bei der nächtlichen Kontrolle weit im Landesinneren über den beleuchteten Kühlergrill und bekommt beim Blick auf das Curved Display kaum mehr den Mund zu. Die Reisepässe interessieren ihn plötzlich gar nicht mehr und statt in den Kofferraum will er lieber unter die Motorhaube schauen. Schließlich gurgelt dort ein wunderbarer V8, der auch im Leerlauf aus seiner Leistungsfreude keinen Hehl macht.

Der neue BMW XM giert mit seinem goldenen Ornat um maximale Aufmerksamkeit, rechtfertigt diese aber mit Leistung und Luxus satt.


Angst vor Klimaklebern hier bestimmt nicht
Natürlich entpuppt sich nicht jeder gleich als Petrolhead. Aber weder neidet einem hier jemand den Reichtum, den es zum Kauf eines bei uns mindestens 178.000 Euro teuren Autos braucht, noch stört sich einer an der gar so offensiven Demonstration des selbigen. Und Angst vor Klimaklebern oder milderer Form der Kritik muss hier ebenfalls keiner haben. Ja, auch Amerika wird Grün und forciert die Elektrifizierung, selbst wenn davon im Landesinneren noch nicht viel zu spüren und die Tesla-Dichte mit jedem Kilometer Entfernung zur Küste merklich nachlässt. Doch trifft man zumindest auf solchen Touren selten Dogmatiker und dafür umso mehr Menschen, die sich an einem augenscheinlich neuen Auto erfreuen können. Und wenn die dann noch von 653 PS hören und davon, dass der XM in 4,3 Sekunden auf Tempo 100 sprintet, der XM bei Vollgas bis zu 270 km/h schafft, dann mischen sich ungläubiges Staunen und unverhohlene Begeisterung.
Nur ein Feature kann man hier unten in den Südstaaten vergessen. Dass der XM auch der erste Plug-In-Hybrid der M GmbH ist, spielt im Mutterland der Pick-Up Trucks keine Rolle. Denn von ein paar verstreuten Tesla Superchargern einmal abgesehen, findet Elektromobilität hier nicht einmal am Rande statt. Warum auch Ladesäulen aufstellen oder Wallboxen in die Wände dübeln, wenn man stattdessen an abertausenden Ölpumpen vorbei fährt und in Port Arthur über Raffinerien groß wie halbe Landkreise staunt.
Amelia Island hat was von Sylt
Doch erst einmal führt der Weg über bekanntes Terrain. Erstens, weil Florida zu den Ferienzielen Nummer eins gehört. Zweitens, weil die Atlantikküste zwischen Jacksonville und Miami kaum von den europäischen Badestränden unterscheidet. Und drittens, weil der Startpunkt auf Amelia Island mit seinen elitären Hotels und der verträumten Centre Street Avenue in Fernandia Beach etwas von Sylt hat – nur mit höheren Temperaturen.
Weil es hier aber um neue Eindrücke mit einem neuen Auto gehen soll, führt der Weg schnurstracks ins Landesinnere. Während im Rückspiegel die Sonne aus dem Atlantik klettert und dem XM für den Rest der Reise den Weg nach Westen weist, fliegen auf der Interstate I-10 erst Jacksonville, dann Lake City und Tallahassee vorbei. Für fünf Tage und gut 2 000 Meilen wird sie die Richtschnur sein, auch wenn man die endlos breite und dafür meist schnurgerade Straße selbst am besten meidet. Zumal man den XM hier im Mutterland des Tempolimits ja ohnehin nicht ausfahren kann.


New Orleans ist ein touristisches Highlight
Deshalb führt die Strecke bis Houston im Grunde immer am Golf von Mexiko entlang. Der ist für Anwohner wie Touristen Fluch und Segen zugleich. Für die Anwohner, weil er ihnen auf der einen Seite das beste Seafood südlich von Maine auf den Teller spült und selbst Dorfkneipen wie das Riverside Café in St. Marks nach einer Wanderung im benachbarten National Wildlife Refuge zu verkappten Gourmettempeln adelt und zum anderen, weil er in der Hurrikan-Saison so oft über die Ufer tritt, dass sie ihre Häuser auf Pfähle stellen müssen. Und für die Touristen, weil er endlos lange Strände bietet und dahinter kilometerbreite Sümpfe, in denen nicht nur Krokodile leben, sondern auch Myriaden garstiger Mücken. Und beide sind offenbar immer hungrig. 
Ähnlich gespalten ist das Urteil über New Orleans, der heimlichen Hauptstadt des amerikanischen Südes. Denn natürlich ist die Mississippi-Metropole ein „Must“ und steht bei vielen US-Touristen auf der Bucket-List. Und zumindest die Architektur im French Quarter und die Jazz-Musik, die schon früh morgens aus den vielen Kneipen schallt, sind den Stopp allemal wert. Doch auf der anderen Seite ist kaum eine Stadt im amerikanischen Süden derart heruntergekommen, hat so viele Obdachlose und Drogensüchtige und so einen strengen Gout aus Müll, Marihuana und Exkrementen, dass man auch froh ist, wenn die wenig imposante Skyline wieder im Rückspiegel verschwindet. Und nicht einmal der Mississippi vermag einen zu trösten, weil er sich aus gutem Grund hinter mächtigen Hochwasserdämmen versteckt. Und das Meer ist von hier aus auch nicht zu sehen. 
Spätestens in Houston ist es allerdings vorbei mit den maritimen Momenten und Mutter Natur zieht für das Road Movie ein anderes Bühnenbild auf: Texas, here we come! Endlose Plains mit abertausend Rindern säumen den Weg, jedes, aber wirklich jedes Auto auf der Straße ist ein Pick-Up, die politischen und religiösen Botschaften auf den Billboards werden zunehmend irritierender und zu den Stars & Straps gesellt sich immer öfter die Flagge der Konföderierten. 
Doch Vorurteil hin und Stereotyp her, halten Amerika im Allgemeinen und Texas im Besonderen immer eine Überraschung bereit. Erst die Millionen-Metropole Austin, in der Franklins zwar das traditionellste und deshalb berühmteste BBQ serviert, die aber als eine der liberalsten und grünsten Städte der USA gilt, in der Pick-Ups plötzlich Seltenheit haben und überall die LGBTQ-Fahne weht. Und dann die deutsche Siedlung Fredericksburg, wo plötzlich der „Ratskeller“ mit Knödeln lockt oder der Biergarten des „Auslanders“ Sauerkraut, Würste und Schnitzelküche auftischt und alle Welt auf Deutsch wissen lässt, dass hier „mit Liebe gekocht“ wird. Und als wäre damit die Verwirrung noch nicht komplett, gibt es entlang des Highways 290 dazwischen gefühlt mehr Weingüter und Olivenhaine als in der Toskana.
Von dort führt der Weg nördlich der I-10 weiter bis nach El Paso, wo erst der wahrscheinlich weltweit größte Laden für Cowboystiefel lockt und dann ein letztes BBQ in Texas bei Dessert Oak darüber hinwegtröstet, dass es mal wieder nicht in den allzu weit abgelegenen Big Bend National Park an der Grenze zu Mexiko gereicht hat. Dafür ermöglicht ein kleiner Umweg nach Norden einen Abstecher in den Nationalpark der Guadeloupe Mountains und morgen warten die Dünen von „White Sands“, die je nach Licht und Tageszeit mal nach Sahara aussehen und mal nach Südpol – und auch den gleichen Temperaturunterschied bereithalten. Die nicht einmal 20 Kilometer Rundfahrt fühlen sich deshalb an wie eine andere Welt.
Dann ist es bis Phoenix schon nicht mehr weit, die Landschaft ändert sich einmal mehr, die roten Felsen gewinnen Überhand, Kakteen dominieren die karge Vegetation und es wird so trocken, dass die AirForce und die Airlines hier in der Wüste abertausende ausgemusterte Flugzeuge geparkt haben, ohne dass sie Rostfraß fürchten müssten. Und nein, man muss kein Planespotter sein und kein Militarist, um Spaß zu haben an einer Fahrt entlang des Zaunes der Davis-Montah Air-Force Base in Tucson, am Pima Air & Space Museum oder den Aircraft Boneyards am Goodyear Airport.
Ja, der amerikanische Süden steht vor allem für extreme Landschaften, für die Sümpfe von Louisiana, für die endlosen Weiden von Texas sowie für die weißen Wüsten und die roten Felsen in New Mexiko oder Arizona. Doch begegnet einem im Süden auch immer wieder ein anderes Thema, das sich ungeplant zu einem roten Faden dieses Roadtrips entwickelt: Die Raumfahrt. Nein, nicht weil der XM so etwas ist wie die Rakete unter den SUV ist, selbst wenn er im Herbst als „Label Red“ mit 748 PS zum bis dato stärksten Serienmodell der Bayern wird. Sondern weil die Amerikaner hier unten in den Südstaaten immer auch Weltraumgeschichte geschrieben und diese entsprechend dokumentiert haben – vom Kennedy Space Center in Cape Canaveral, Florida, über Mission Control in Houston und das US Space and Rocket Center in Huntsville, Alabama bis hin zur Holloman Airforce Base bei Alamogordo in New Mexiko, wo sie die Mondlandung geprobt haben und die Astronauten der Welt mit einer „Hall of Fame“ ehren – und nein, die Geschichte ist damit noch nicht vorbei: Mehrfach pro Woche wird der Highway 70 schließlich für Raketentests gesperrt und in Cape Canaveral laufen die Vorbereitungen für die nächste Artemis-Mission, die die Menschheit zurück auf den Mond und mittelfristig auf den Mars bringen soll.

Aus der Zeit gefallen: Hier in Arizona warten zigtausende Flugzeuge auf einenn neuen Start. Da fühlt sich auch ein Auto wie der XM plötzlich erschreckend fossil an.


Auch wenn die Südstaatentour auf bald 3.000  Meilen durch sieben Staaten viel neue Eindrücke, Einsichten, Erlebnisse und Erkenntnisse gebracht hat, ist das nichts gegen die Entdeckungen, die auf diese Crews warten. Nur der Spirit hinter dieser Mission ist der gleiche – denn wer aufmerksam durchs Kennedy Space Center geht, entdeckt dort eine Plakatwand, die Astronauten und XM-Fahrer im Geist vereint: „The Ultimate Road Trip“.

Autor: Thomas Geiger

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